Boschanlasser Revision

Detlev

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Ich habe hier mal während einer Boschanlasser Überholung eine Reihe Fotos gemacht und fasse diese mit einigen Worten zusammen.

Zunächst mal ein Warnung: Es gibt nicht viele Schraubarbeiten an unseren Motorrädern, bei denen man sich so nachhaltig die Finger einsauen kann wie bei Anlassern . Die Mischung aus altem Fett und dem Staub der Kohlebürsten ist recht hartnäckig.

Vorm Beginn einer Überholung mache ich eine kurze Laufprobe um überhaupt zu erfassen, wo das Problem liegt. Hierbei sehe ich dann, ob der Anlassermotor überhaupt funktioniert, ob der Magnetschalter Probleme macht und mit einiger Erfahrung kann man aus dem Laufgeräusch auch schon auf evtl. mechanische Schäden schlussfolgern.
Hierzu spanne ich den Anlasser einfach kurz hochkant in einen Schraubstock, schließe über ein Starthilfekabel eine Batterie an und brücke mittels Schraubendreher den Pluspol mit der Klemme 50 des Magnetschalters.

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Danach beginne ich das zerlegen des Anlassers. Zunächst mal entferne ich, so vorhanden, das Stützblech, übrigens ein Teil, welches an Valeoanlassern nicht vorkommt und dort auch nicht passen würde. Normalerweise sind, warum auch immer, an jedem Bolzen drei Beilegscheiben verbaut, eine dünne und zwei dicke. Vermutlich hat ein schlauer Kopf mal erdacht, dass man mittels dieser Scheiben das Blech exakt zum Motorgehäuse ausdistanzieren kann, in der Praxis wurde das aber vermutlich nie gemacht. Auf jeden Fall finde ich i.d.R. eine dicke und die dünne Scheibe unter dem Blech sowie eine dicker darüber vor. Für die Perfektionisten: Ich halte diese Ausdistanzierung für überflüssig, da das Blech so weich ist, dass es von selbst die beste Position annimmt.

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Als nächstes folgt die Schutzkappe des hinteren Gleitlagers.

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Hier findet sich ein Sicherungsblech sowie einige Distanzscheiben und eine Gummi- oder Pappdichtung am Deckelrand. Die Distanzscheiben kleben manchmal aneinander und scheinen sich so während der Reinigung zu vermehren wenn sie dann auseinander fallen.

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Jetzt kommen die beiden langen Zuganker (SW9) an die Reihe.

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Dann den Kabelanschluss vom Magnetschalter lösen (SW13)

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Dichtring nicht vergessen zu entfernen und dann den hinteren Deckel abnehmen. Das braucht manchmal etwas Kraft, entweder löst sich der Deckel nicht vom Gehäuse oder die Lagerbuchse will nicht von der Motorwelle rutschen.

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Jetzt brauche ich eine abgewinkelte Pinzette oder einen gebogenen Draht, um die zwei Kohlen des Feldgehäuses aus der Kohlenträgerplatte ziehen zu können. Mit der Pinzette fasse ich in die "Kurve" der Kohlenfeder und ziehe diese zurück, so dass ich die Kohlen am Kabel rausziehen kann. Die Halteplatte kann ich dann einfach nach oben abnehmen.

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Jetzt kann ich das Feldgehäuse nach oben abziehen. Falls das festgerostet ist, vorsichtig mit ein paar Hammerschlägen lösen.

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Als nächstes schraube ich den Magnetschalter ab, dazu brauche ich fast immer einen Schlagschrauber. Dazu klemme ich das Anlassergehäuse anders herum in den Schraubstock.

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Danach kommt die Achse des Ausrückhebels dran

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Jetzt fällt einem die Motorwelle entgegen und kann weiter zerlegt werden.
Mit einem passenden Rohrstück schlage ich den Überwurfring über dem Federring herunter, übrigens das gleiche Werkzeug, wie auch beim Valeo benötigt. danach drücke ich den Federring mit einer Seegerzange auseinander um ihn von der Welle abnehmen zu können.

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Jetzt kann man den Freilauf mit dem Ritzel von der Motorwelle abziehen. Hier liegt nun der gesamte Anlasser in (schmutzigen) Teilen.

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Der Kleinkram geht bei mir ins Ultraschallgerät während ich den groben Dreck im Teilewaschgerät (China, ca.40€ und jeden Ct wert!) abputze.

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Nach dieser gründlicher Reinigung ist das schlimmste passiert, jetzt alles gut trocknen.

Der Freilauf wird von mir mit viel dünnflüssigem Öl geflutet und bis zur späteren Montage mit dem Ritzel nach oben zur Seite gelegt. Das Öl kann in dieser Zeit durch den Freilauf sickern und diesen dadurch innen reinigen.

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Jetzt nehme ich mich der Kohlen an. Die Kanten breche ich mit einem rotierenden Gummipolierer mit dem ich anschließend auch die Oberfläche reinige.

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So sieht das fertig am Kohlenträger aus.

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Den Kollektor bearbeite ich in der Drehbank, eine Ständerbohrmaschine tut es dafür aber genauso gut. Erst mit 600er anschließend mit 1500er Schleifleinen abziehen. Danach mit einem Messer die Kollektorspalten reinigen.

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So sieht das jetzt fertig gereinigt aus

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Jetzt drücke ich mit einer passenden Hülse, einer kleinen Stecknuss oder was auch immer passt, die alte Bronzelagerbuchse am vorderen Gehäuse mit Hilfe der Schraubstockbacken raus. Die neue Lagerbuchse drücke ich anschließend genauso wieder bündig ein. Diese Buchse wechsel ich grundsätzlich aus, sie unterliegt einigem Verschleiß und kann im Extremfall die Motordrehung erheblich beklemmen. Das Neumaß innen ist 12,0mm, sobald sie eingepresst ist bleiben noch +-11,97mm. Bitte nicht aufreiben, es ist immer genug Spiel vorhanden.

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Am hinteren Gehäusedeckel tausche ich die Buchse ebenfalls aus.

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Anschließend kann man die Gehäuseteile noch entrosten, ich nehme eine rotierende Messingdrahtbürste dazu

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Jetzt die Teile aus dem Ultraschallgerät geholt und getrocknet, alles bereit gelegt und dann kann der Zusammenbau wieder beginnen.

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Die Schrägverzahnung des Vorschubs fette ich dünn ein und setze dann den Freilauf darüber.

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Dann folgt der Überwurfring und die Klemmfeder. Diese drücke ich mit der kleinen Wasserstrahlrohrbiegezange, im Volksmund auch "Strabolzkizange" genannt, gut zusammen.

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Beim Valeo und auch beim 8 Zähne 0,5PS Boschanlasser kommt jetzt ein Schlag mit dem Hammer... beim 0,6PS Bosch geht das leider nicht. Hier muss der Freilauf mit einem Abzieher gegen die Motorwelle gezogen werden und der Federring bekommt mit einem Schraubenzieher oder einem kleinen Meißel und Hammer vorsichtige Schläge um in seine Nut zu rutschen.

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Jetzt das Anlassergehäuse in den Schraubstock gespannt und die Montage kann weiter gehen. Das vordere Wellenende wird etwas gefettet. Ebenso die Berührungsstellen des Vorschubhebels, der gleich mit ins Gehäuse eingesetzt wird.

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Die Gummidichtung über dem Ausrückhebel nicht vergessen. Die Zugöse des Magnetschalters bekommt auch ein wenig Fett. Anschließend wir er in Position gebracht, so drehen, dass die Beschriftung außen liegt, und von unten verschrauben.

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Jetzt wird das Feldgehäuse aufgesetzt, und zwar so ausrichten, dass die Schrauböffnung zwischen den Feldspulen frei liegt. Bei den Gußeisenglocken ist das im Gehäuse als Sackloch ausgeführt, da ist die Ausrichtung etwas tricky, hier beim 0,6PS Anlasser mit Aluglocke scheint von unten Licht durch.

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Jetzt wird der Kohlenhalter aufgesetzt, dazu muss man mit z.B. einem kleinen Schraubendreher die Kohlen nach außen drücken.
Den Kohlenhalter auch entsprechend der Schrauböffnungen im Gehäuse ausrichten. Jetzt noch die beiden Kohlen vom Feldgehäuse hinter die Federn in den Kohlenträger setzen.

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Etwas Fett ans hintere Ende der Motorwelle geben und anschließend den hinteren Deckel aufsetzen. Die Ausrichtung erfolgt anhand der Schraub"kanäle" und der Gummidichtung des Kohlenanschlusses. Die Mutter für den Stromanschluss am Magnetschalter nicht vergessen.

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Die Distanzscheiben auf die Motorwelle geben, die Sicherungsscheibe seitlich einsetzen, die Gummi/Pappdichtung nicht vergessen und dann etwas Fett an die Teile geben und die Kappe verschrauben.

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Jetzt die beiden langen Schrauben mit ihren dicken U-Scheiben versehen und in die Löcher einführen und wenn alles sorgfältig ausgerichtet ist, festschrauben.

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Zum Abschluss kommt das Stützblech wieder an seinen Platz, mit der abgewinkelten Seite zum Anlasser hin, und dann den Anlasser umdrehen und mit einem Schlagschrauber die beiden Schlitzschrauben des Magnetschalters sichern.

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Den Probelauf im Anschluss lasse ich auf meinem Anlasserprüfstand laufen, das ist ein Motorgehäuse mit Kurbelwelle und Schwungscheibe und einer "Bremse" bestehend aus einem Hebel und einem Bremsklotz aus Holz. Hier kann ich die Drehrichtung das Anlassers, seine Kraft und auch die Funktion des Freilaufs testen.

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Und für alle zum Schluss mein Motto:

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P.S. Die Überholung des Magnetschalters habe ich in einem separaten Beitrag erklärt
 
Detlev,
menschenskinnings aber auch, einfach nur gut !:respekt:

Wenn mein 1975 zusammengeschraubtes Bosch - Anlasserchen nicht mehr will, werde ich ihn nach dieser Anleitung wiederbeleben.
Falls mir das nicht gelingen sollte wende ich mich vertrauensvoll an Dich !

Im Moment öchi - öchit er noch - selbst bei Minusgraden - ganz gut.
Nach 44 Jahren und 206.000km für mich ein Wunder.
Liebe Grüße und vergiss nicht neben dem Anlasser den Anlass :
Deinen Geburtstag ! :bier: Schöööööön Strand aufräumen !!!
Martin
 
)(-: und :applaus:

Mein alter Bosch schlummert noch in der Garage. Nun weiß ich, dass das Schlummern bald vorbei ist.
 
Ich habe noch ein paar Sätze ergänzt. Es sind doch ne Menge Handgriffe und in der Beschreibung vergisst man dann doch noch etwas...;)
 
...... ja, ja. Das bringt das Rentnerdasein so mit sich.
Man vergisst immer mehr.
Ich habe noch nicht mal Rente und trotzdem - es geht schon los:

morgens , wenn ich den Kerl im Badezimmer im Spiegel sehe sag ich auch immer öfter zu ihm : ich kenn Dich zwar nicht, Du siehst sch..e aus aber egal, ich wasch Dich jetzt trotzdem :D
Liebe Grüße :wink1:
Martin

PS : Deine Anleitung ist klasse, Mann ! Was will man mehr ???
 
Hallo Detlev,

Deine Anleitung habe ich auch in der Datenbank gefunden und finde sie sehr gut verständlich.
Aus meinem Stoppelhopser (R80G/S) habe ich den alten Bosch-Anlasser ausgebaut und wollte ihn einer Revision unterziehen. Dafür habe ich natürlich auch den Teilekatalog zu Rate gezogen. Am liebsten würde ich alle eventuell nötigen Teile vorher besorgen. Dabei ist mir aufgafallen, dass die Lagerbuchsen (Teilenummer 11511722914; Position 20 im Schaubild) nicht lieferbar sind.
Oder reichen die beiden Buchsen (Position 4 und 5 im Schaubild) aus? Ist im Reparatursatz (Artikelnummer 12411352541) sonst alles enthalten, was man braucht? Kohlen werden wirklich nur überarbeitet und werden nicht ersetzt?
Ich muss mir auch noch einen Schlagschrauber kaufen - aber den braucht man ja auch sonst mal.
Leider habe ich weder eine Standbohrmaschine oder eine Drehbank auf die ich zurückgreifen könnte...
Daher frage ich mal ganz frech, ob Du meinem Anlasser überarbeiten würdest? ;-) Wenn Du diese Frage mit JA beantworten kannst, würde ich vorschlagen, dass wie die Details privat abklären :-)

Beste Grüsse und einen guten Rutsch wünscht Christoph
 
Sehr schöne Beschreibung, danke dafür.
Die werde ich demnächst wohl nochmal vorkramen wenn es an den Anlasser geht.

Habt Ihr eine zuverlässige Bezugsquelle für die benötigten Teile?

Gruss vom Frank
 
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