Tach Hobbel,
Was ist ein CAFE RACER?
Eine schöne Erklärung des Begriffs in seinem zeitgeschichtlichen Kontext liefert die Heimseite des Ace Cafe in London, her auszugsweise frei ins Deutsche übertragen:
„In den frühen 50er Jahren, als in England der Teddy Boy-Stil populär wurde, wurden Motorräder eher als Verkehrsmittel denn als Spaßgefährt eingesetzt. Das änderte sich mit den Rock n’ Roll, denn diese Jugendrebellion braucht einen besonderen Typ Motorrad, das dem Bedürfnis entsprach, schnell zu sein, an den richtigen Orten cool zu wirken, nämlich da, wo man Rock n’ Roll hörte, und überhaupt ganz anders zu sein. Die Motorräder waren nicht nur dafür da, den Fahrer so schnell wie möglich zu transportieren, sondern auch Ausdruck einer bestimmten Lebenseinstellung. Weil es solche Motorräder nicht zu kaufen gab, musste man sie sich selbst bauen.
Obwohl es einige recht schnelle Motorräder von BSA, Norton, Triumph oder Velocette gab, gab es keines, das die besten Eigenschaften aller dieser Modelle in sich vereinigte. Starke Motorräder hatte 40 oder 45 PS, aber sie sahen nicht danach aus.
Mitte der 50er Jahre begannen Motorradfahrer, Triumph-Motoren in Norton „Federbett“-Rahmen zu transplantieren. Da Triumph-Motoren als stark galten und Norton-Rahmen und -Gabeln eine vorzügliche Straßenlage ergaben, wurde ein neuer Typ Motorrad geboren: die TRITON; ein Motorrad mit hervorragender Straßenlage und genug Leistung, um eine Geschwindigkeit von 100 Meilen pro Stunde zu erreichen, genannt „The Ton“.
Zubehör wie Stummellenker, besondere Rücklichter und Scheinwerfer, Rennvergaser und –auspuffrohre, und Alu-Tanks gaben jeden einzelnen Cafe Racer eine individuelle Note, Obwohl es viele TRITONS und DRESDAS auf den Straßen gibt, gibt es kaum zwei, die sich exakt gleichen. Alle sind verschieden, den individuellen Bedürfnissen und dem Geschmack des Besitzers entsprechend maßgeschneidert. Dies waren tatsächlich die ersten individuell nach Kundenwunsch angefertigten Motorräder, ein Trend, der fortgesetzt wurde mit den Choppern, Cruisern und den Streetfightern, den vielleicht wahren Nachfolgern der Cafe Racer.
Bis zu den frühen 60er Jahren veränderte sich der Motorradmarkt aufgrund neuer Zulassungsbestimmungen, Verkehrsregeln und allgemeiner gesellschaftlicher Veränderungen. Mehr und mehr wurde das Auto zum Hauptverkehrsmittel, aber die Motorradindustrie reagierte nicht mit neuen Entwürfen, sondern brachte lediglich neue Varianten der gleichen Modelle heraus. Dazu kam, dass die öffentliche Wahrnehmung von Motorrädern und Motorradfahrern sich geändert hatte hin zu einer eher feindseligen Einstellung, die durch Schauergeschichten der Sensationspresse genährt wurde.
Weder die John Player Special Norton noch die Rickman Metisse konnte den Niedergang der britischen Motorradszene und den Aufstieg der japanischen Motorradindustrie aufhalten. Während die Situation der Motorradindustrie in Europa desolat war, vollzog sich ein Wandel in den USA, wo immer mehr Menschen ihre Motorräder nur zum Spaß benutzen, und da waren Cafe Racer äußerst beliebt, besonders solche, die auf britischen Entwürfen beruhten. Der amerikanische Motorradboom erreichte auch Europa und mit ihm auch eine Welle neuer Motorradmodelle, aber ein Cafe Racer blieb, was er war: Ein Motorrad mit einem eigenen Stil, ein Vollblut voller funktionaler Schönheit, das seinen Fahrer spüren lässt, wenn er die magischen 100 mph erreicht, und das ihm Freiheit und Unabhängigkeit ermöglicht.“ (Zitatende)
Schlussfolgerung:
Ein Cafe Racer hat einen Erlebniswert und einen ästhetischen Wert, er ist demnach ein puristischer, absolut individueller Umbau, der unter Entfernung überflüssiger Bauteile und mit Betonung funktionaler Schönheit das Motorrad auf das reduziert, was man braucht, um schnell zu sein und um die Geschwindigkeit auch zu spüren: sportliche Sitzposition, getunter Motor, laute Tüten — ein Hauch von Illegalität als Ausdruck des jugendlichen Protests gegen das Establishment.
Es müssen Teile verbaut werden, die das ästhetische Empfinden des Besitzers zum Ausdruck bringen, entweder solche, die man selber angefertigt hat, oder Edles aus dem Zubehörhandel: Der Cafe Racer als ein makelloses Gesamtkunstwerk.
Um des fahrerischen Erlebnisses willen muss das Motorrad auf das Wesentliche reduziert werden: aller überflüssiger Schnickschnack muss weg, spartanische Ausstattung ist angesagt, die Geschwindigkeit muss für den Fahrer unmittelbar zu spüren sein — das heißt, strenggenommen ist auch eine Verkleidung nur dann angesagt, wenn sie zum Erreichen der "Ton" dient.
Hobbel, Deine wunderschöne R 100S-RS ist demzufolge kein Cafe Racer, sondern sie entspricht eher der Superbike-Optik der 70er und 80er Jahre, als die äußere Erscheinungsform des Serienmodells beibehalten wurde, die Fahrzeuge aber fahrwerksmäßig erheblich modifiziert wurden, um der gesteigerten Leistung gerecht zu werden. Es wurden breite Lenkstangen montiert, um auf der Rennstrecke die erforderliche Handlichkeit zu haben. Jüngste Beispiele diese Stilrichtung sind die 1200er Kawasaki und die 1300er Honda, die die Stilelemente der 70er/80er Jahre aufgegriffen haben und sie mit zeitgenössischer Technik vereinigen.
Aber, wie schon die Vorredner festgestellt haben:
Jeder soll nach seiner Facon selig werden!
In diesem Sinne bauen wir weiter um!
Gruß
Alfons