Kalte Füße im Seitenwagen

jörg.807

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bei Lüneburg
weil Sybille in den Winterhalbjahren hin und wieder über kalte Füße im Seitenwagen klagte, ging mir schon lange der Gedanke an eine Seitenwagenbeheizung nicht mehr aus dem Kopf.
So ein Seitenwagen ist zwar ein cooles Teil, kann aber bei entsprechender Witterung auch ein kaltes Loch sein;)

Deshalb habe ich das hier gebaut:

Beiwagenheizung_001.jpg


Aber von Anbeginn…..
Der Möglichkeiten zur Beheizung eines Seitenwagens sind da ja viele, wie z.B. elektrisch heizen, den Ölkreislauf erweitern und den Ölkühler ins Boot legen, Kupferrohr um einen Auspuffkrümmer legen und eine Thermosyphon-Heizung mittels eines kleinen Kühlers vom Kleinkraftrad oder Ähnlichem installieren, eine Schwingfeuerheizung einbauen… etc.

Und dann war da doch noch die Idee mit der Heizbirne zur Beheizung des Seitenwagenbootes. Diese ist absolut nicht neu, sie wurde schon vor vielen Jahren wie z.B. von Hans Reitmeier am Zweiventiler Boxer umgesetzt, und in der Zeitschrift Motorrad-Gespanne.de/Winterfahrer vorgestellt (einen Link im www. finde ich grad nicht wieder). Einen Bericht von 1974 über die Umsetzung am MZ-Gespann von W. Biermann habe ich auch schon gesehen.
http://ostmotorrad.de/mz/beiwagen/heizung_bw.php.

Und dieses System hat ja an Millionen von vierrädrigen Krabblern eines niedersächsischen Großkonzerns auch funktioniert (bis die unvermeidliche Korrosion an den Drosselklappen der Heizbirnen die allermeisten Systeme dann „Sommeruntauglich“ machte:rolleyes:)

Die Formstücke der Heizbirne werden um den Krümmer gelegt und verschraubt. Durch den anströmenden Fahrtwind wird Kaltluft ins System gedrückt, am heißen Krümmer erwärmt, um dann über ein Rohr in den Seitenwagen-Fußraum zu strömen. So der gedankliche Ansatz.

Weil ich gerade diese Idee so simpel und einleuchtend fand, habe ich mir ein wenig VA-Material zusammengekauft, mich in meine Arbeitsschuhe gestellt, und losgelegt. ….Avanti Dilletanti…

Im Einzelnen habe ich diese VA-Materialien verbraucht:
2 Rohrbogen 90 ° DN 65 Reihe 3 (Ø70 x 2 mm, Radius neutrale Fase = 80 mm) 20,18 €
1 Rohrstück Ø54 x 2 mm 6,16 €
1 Stück Blech 2 mm stark 5,00 €
1 Stück Flexibles Rohr Innen Ø51/ Außen Ø55 mm 500mm lang 21,96 €
4 Langmuttern M6 x 30 (für die Krümmer hälften) 5,00 €
4 Innensechskantschrauben M6 x 30 (für die Krümmer hälften) 0,40 €
3 Innensechskantschrauben M6 x 25 (für den Anschluss am Seitenwagenboot), 0,40 €
3 Sechskantmuttern und 3 U-Scheiben 0,30 €
2 Silikon-Flanschdichtungen DN 50, 107x 61x 3mm 10,40 €

All in also ca. 70,- EURO an Material verbraten.
Meine Arbeitszeit, diverse Liter Argon 4.6 und Schweißzusatzmaterial in erklecklicher Größenordnung, weil ich noch Anfänger in der hohen Kunst des WIG-Schweißens bin, liste ich nicht gesondert auf. Die Ausführung habe ich nicht groß geplant, das Machwerk eher konstruktiv und Stück für Stück am Gespann wachsen lassen.

Es war ein gutes Stück Arbeit, aber ich erhoffte mir ein Ergebnis irgendwo zwischen „Kalte Füße“ und „Hot Sox“, eher in der oberen Hälfte dieses gefühlten Bereiches. Aber, wait and see, wie der geneigte Angelsachse wohl sagen würde.
Über eine Abregelung an wärmeren Tagen denke ich derzeit noch nach. Eine zwischenzeitlich aufgesetzte Kappe über dem Lufteinlass hat sich im nachfolgenden Test nicht bewährt, die Temperatur am Ausströmer im Seitenwagen stieg während der Fahrt kurzfristig auf 70° C an (Hot Sox).

Ich denke, die Bilder sprechen für sich:

Beiwagenheizung_002.jpg Beiwagenheizung_003.jpg Beiwagenheizung_004.jpg Beiwagenheizung_005.jpg


Restmaterial und Fehlversuche:
Beiwagenheizung_006.jpg


Die untaugliche Kappe
Beiwagenheizung_007.jpg


So, der erste Praxistest ist gelaufen:
Beiwagenheizung_008.jpg Beiwagenheizung_009.jpg

der „IN“ Wert zeigt die Temperatur oberhalb der Oberschenkel meiner Copilotin, der „OUT“ Wert zeigt die Temperatur des Messfühlers unten im Fußraum, direkt am Ausströmer.
Bild 1 = kurz nach Abstellen des Motors nach ca. 100 Km Fahrt über die Dörfer,
Bild 2 = ein paar Minuten später.

Der Messfühler im Fußraum, dahinter die Löcher im Boot und im Teppich:schock:
Beiwagenheizung_010.jpg

Erstes Fazit nach Probefahrt bei zugegebenerweise viel zu warmem Wetter:
Die während der Fahrt im Seitenwagen ankommende Luft ist deutlich erwärmt, und lag ca. 20° C über der Temperatur hinter der Seitenwagenscheibe. Sybille hat den Luftstrom an den Füßen (in Leinenschuhen ohne Socken) und Beinen eindeutig wahrgenommen, und war sehr zufrieden mit der ersten Probefahrt. Nächste, aussagefähige Tests bei kühleren Außentemperaturen werden zeigen, ob sich der ganze Spaß gelohnt hat. Die Antwort lautet jetzt schon ja, denn die Beschäftigung mit der Thematik, und die Anfertigung der Teile kann ich für mich durchaus als Spaß bezeichnen:gfreu: (wenngleich ich das auf Grund des Aufwandes nicht unbedingt wiederholen möchte:D)
 
Hallo Jörg,
schön gemacht!

Hatte ich auch schon vor, habe unser Wintergespann aber wegen komischen Verbindungen mit Sauerstoff verkauft.

Freue mich auf Rückmeldung bei wirklicher Kälte.
 
Sehr gut gelöst, großer Aufwand, große Wirkung, gut eingesetztes Hirnschmalz.
Würde ich auch eher verbauen als eine Gegensprechanlage :D
 
Vom Gedanken her gut, doch bei meinen vielen VWs hat es trotz Zwangsbelüftung nie richtig hingehauen. Um die Krümmer wirklich heiß zu kriegen muss der Motor ordentlich schaffen.

Aber OK, selbst wenn nur 5°C im BW ankommen ist schon was gewonnen.

Bei einem Treffen habe ich mal einen gesehen der hat sich eine chinesische Benzinheizung zwischen Boot und Maschine gebaut.
Hat irgendwas um die 100€ gekostet das Ding.

VW hat später, beim 411/412 dann auch eine Zusatzheizung eingebaut.

Gruß
Willy
 
Sieht gut aus, funktioniert gut....
Respekt! Ich hoffe du findest eine Abschaltvorrichtung die funktioniert wenn es doch noch mal Sommer wird!
(Bevor sich die Sohlen der Schuhe deiner Frau von der Hitze ablösen... Das gibt Ärger :&&&:)
:D:D

Gruß

Kai
 
Vielen Dank für Eure Zustimmung zu meiner Bastelei und die konstruktiven Vorschläge. Ein Statement zur Funktion bei richtig kaltem Wetter werde ich natürlich geben.

Ja, für das Wohl meiner Schmiermäxin ist mir kein Aufwand zu groß.

Dass der Motor für eine ordentliche Betriebstemperatur ordentlich schaffen muss, habe ich heute auch festgestellt, aber noch kann ich ja am Kabel ziehen:D

Die Benzinheizungen habe ich auf Grund der doch erheblichen zu erwartenden Verbrennungstemperaturen nicht in Erwägung gezogen, unser Boot ist aus Kunststoff, und da trau ich mich nicht.

Sollte ich keine akzeptable Idee zur Abschaltung finden, kann ich das flexible Rohr mit nur drei Schrauben an der Bootswand lösen, und von der Heizbirne abziehen. Das ist mit wenigen Handgriffen erledigt. Den Ärger wegen abgelöster Sohlen will ich mir auf keinen Fall einfangen.

Eine Steckscheibe, wie Michael sie vorschlug überdenke ich noch, ich muss mal sehen, wieviel Temperatur dann an der Steckscheibe ansteht, auch hier wieder meine Bedenken bezüglich des Kunststoffbootes. Ich habe sogar schon an so etwas wie eine Drosselklappe gedacht, ist aber konstruktiv und bei den Platzverhälnissen wieder eine größere Baustelle.

Aber dass ich an der Konstruktion noch nacharbeiten müsste, das war mir eigentlich klar.
 
Hans Gerd Reichler hat den Ölkühler als Heizung vorne in den Beiwagen gebaut. Als Regelung eine Klappe, um die Warmluft ins Boot oder unten raus zu lassen.

Um den Kunststoff zu schonen, könnte ich mir eine Klappe vorstellen, welche die Heiße Luft am Wärmetauscher oder im Schlauch zum Boot ins Freie lässt, vorstellen.
 
Sehr schön, mein Vater hat das anno dazumal nicht ganz so edel gelöst.

Auch war "mein" Steib Boot aus schnödem Blech und nicht innen verkleidet.

Aber gewärmt hat es im Winter schon.

Bei unserer R60/2 waren es zugeschnittenen und eckig verschweißte Stahlbleche rund um den Krümmerbogen und einen Klappe im Rohr rüber zum Boot.
 
Respekt, handwerklich schön gemacht.
Ich habe den leichteren Weg gewählt und habe einfach eine 12V Steckdose in den Beiwagen verlegt, extra abgesichert und mit Relais über das Zündschloss gesteuert. Damit kann dann eine 12V Sitzheizmatte von KFZ Zubehörhandel betrieben werden. War für eine Fahrt auf den Großglockner vorgesehen, was soll ich sagen, bei der Heimreise hatte es 30 Grad plus. Meine Frau weiß es trotzdem zu schätzen, sie kann dort mit einem USB Adapter auch das Handy aufladen, falls es auf der Autobahn zu langweilig wird.:D
Übrigens, mir helfen auch Heizgriffe, sogar bei kalten Füssen, solange der Blutkreislauf noch in Ordnung ist, verteilt sich die Wärme am ganzen Körper.
Erich
 
Sehr gut gelöst, großer Aufwand, große Wirkung, gut eingesetztes Hirnschmalz.
Würde ich auch eher verbauen als eine Gegensprechanlage :D

Das Problem "Heizung" oder "verbale Kommunikation" erübrigt sich zum Glück bei meinem Co-Piloten :D

Dafür gefällt mir aber die Lösung mit dem externen Ölfilter ziemlich gut )(-:
Muss ich mir in Bebra mal genauer anschauen ;;-)
 
Hallo Jörg,

wieder mal ne Glanzleistung die zum Nachbau auffordert.
Leider ist er Projetkalender voll bis in die Rente.
mmmm

Gruß, Axel
 
Schöne Lösung Jörg.
Jean Pütz hätte seine Freude daran.
Für den Sommer/Wintermodus findet sich noch was.
 
So eine Heizmatte aus dem Autozubehör haben wir auch schon probiert, so wie ich das umgesetzt hatte war es für Sybille im Fußraum zu rutschig, und das Kabel zur Matte störte sie sowieso. Also wieder raus mit dem Teil, und dann bin ich bei der hier vorgestellten Lösung gelandet.

Dafür gefällt mir aber die Lösung mit dem externen Ölfilter ziemlich gut
Muss ich mir in Bebra mal genauer anschauen
Nun habe ich den Filter schon so schön hinter dem Flexrohr versteckt, und Ihr seht ihn trotzdem:pfeif: Diese Filteraufnahme habe ich auch erst nach langer Suche im www. gefunden.

Hallo Jörg,

wieder mal ne Glanzleistung die zum Nachbau auffordert.
Leider ist er Projetkalender voll bis in die Rente.

Gruß, Axel
Axel, das sieht bei mir -obwohl schon ein wenig weiter auf der Zeitachse wie Du- ähnlich aus. Meine „Löffelliste“ wird eher länger wie kürzer, die könnte ich inzwischen vererben.

Schöne Lösung Jörg.
Jean Pütz hätte seine Freude daran.
Für den Sommer/Wintermodus findet sich noch was.
Von Jean Pütz habe ich ja schon ewig nichts mehr gehört, den haben wir damals gerne gesehen und vieles aus der Hobbythek nachgemacht.
Für den Sommer/Wintermodus habe ich mir jetzt übergangsweise einen Blinddeckel für das Loch im Boot gemacht. So kann ich das Flexrohr einbauen bzw. herausnehmen, zusammen mit den Handschützern, je nach Jahreszeit.
 
So à la main müsste Jean Pütz aber locker jenseits der 100 Jahre sein :pfeif:

Als ich seine Bastelarbeiten Anfang der Siebziger mit leuchtenden Kinderaugen in der "Hopplathek" sah, war der mit seinem Kaiser Wilhelm Bart doch schon gefühlte 50 Jahre alt.

Und ich bin jetzt auch schon 56 :schock:
 
So, es ist vollbracht,

ich habe mich für eine Drosselklappe in meinem Heizungskonstrukt entschieden, und diese über den Sommer gebaut.

Seitenwagenheizung_Drosselung_12.10.2024_001.jpgSeitenwagenheizung_Drosselung_12.10.2024_003.jpgSeitenwagenheizung_Drosselung_12.10.2024_006.jpgSeitenwagenheizung_Drosselung_12.10.2024_007.jpg

Heute haben wir bei ca. 9° Außentemperatur eine ca. 100 Km lange Probefahrt über die Dörfer gemacht. OK, es ist noch nicht wirklich kalt, aber für eine erste Einschätzung der Wirksamkeit des Gesamtkonstrukts und auch der Drosselklappe hat es mir gereicht.

Die Temperaturen im Seitenwagen habe ich wieder mit meinem Innen/Außen-Thermometer gemessen. Ein Messpunkt hinter der Seitenwagenscheibe oberhalb der Oberschenkel der Schmiermäxin (der IN-Wert am Thermometer), ein Messpunkt mittig zwischen ihren Füssen, nicht direkt an der Ausströmöffnung (der OUT-Wert am Thermometer). Erwähnenswert ist vielleicht noch, daß Sybille für diese Probefahrt ohne Socken in ihren Turnschuhen steckte, um Temperaturänderungen zu fühlen. Kalte Füße hat sie nicht gehabt :gfreu:

Bild 1: Kurz vor Antritt der Fahrt, das Gespann ist gerade aus der Garage gerollt.
Bild 2: Gegen Ende der Ausfahrt, der Gespannmotor hat deutlich Betriebstemperatur, die Drosselklappe ist voll geöffnet.

Heiztemperaturen_14.10 (1).jpgHeiztemperaturen_14.10 (3).jpg

Unser Fazit:

*Die Heizbirne und die Drosselklappe funktionieren sehr zufrieden stellend, bei geschlossener Klappe kommt keine warme Luft mehr im Boot an.
*Die Bedienung der Drosselklappe über den Hebel an der Seitenwand des Bootes funktioniert einwandfrei, und ist für Sybille ergonomisch sehr gut bedienbar.
*Die erreichbaren Temperaturen im Fußraum des Bootes sind deutlich höher als gedacht.

Eine weiter gehende Optimierung könnte ich mir vorstellen durch eine Dämmung der Außenwand und eine Spritzdecke von der Seitenwagenscheibe zur Jacke hin, um den Wärmeverlust über die Bootsöffnung zu minimieren. Das ist für uns, die wir mit dem Gespann nicht z.B. zur Kristall-Rally wollen jedoch erst einmal kein Thema.

Also…..Das war`s an dieser Baustelle (zumindest vorerst;))
 
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