Papacharlie
Einsteiger
R80 G/S Restauration
Nachdem ich im Sommer vergangenen Jahres eine R100 RS fertig gestellt hatte, wurde ich im September auf ein Inserat im Internet aufmerksam. Es handelte sich um eine R80 G/S, Baujahr '81.
Als Liebhaber alter 2-Ventil-Boxer hatten mir die alten Monolever-G/S schon immer gefallen, ja, ich war regelrecht fasziniert davon. Der hochgesetzte Kotflügel vorne, darüber die Lampenmaske mit dem runden Scheinwerfer, breiter Lenker, der flach nach hinten abfallende Tank, darunter ragen links und rechts die beiden Zylinder des Boxermotors heraus, gerade Sitzbank, hochgezogener Auspuff - was für ein schönes Motorrad!
Im September las ich dann diese Anzeige im Internet. Das Inserat war zu diesem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr online. Drei nicht wirklich aussagekräftige Bilder und ein ein-Zeilen-Text dazu.
Auf den Bildern war lediglich der ziemlich heruntergekommene Zustand zu erkennen. Genau das was ich jetzt brauchte, immerhin stand der Winter vor der Tür. Ich nahm Kontakt zu dem Verkäufer auf und vereinbarte einen Besichtigungstermin. "Keine Papiere..." sagte der Herr noch am Telefon zu mir – auch das noch.
Trotzdem: vorsichtshalber mal den Anhänger und paar Gurte mitnehmen, man kann ja nie wissen.
Dort angekommen wurde die Besichtigung, die eher einer Schadensbegutachtung glich, durchgeführt. Es gab kein Bauteil was nicht flugrostig oder oxidiert war. Sämtliche Gummiteile waren porös oder nicht mehr vorhanden. Noch dazu wurde die ganze Maschine liebevoll von Hand schwarz gestrichen. Nachdem wir die Batterie überbrückt hatten, sprang wenigstens der Motor an und lief einigermaßen ruhig.
Nachdem dann doch noch sämtliche Fahrzeugpapiere auftauchten, wurden wir uns bei einem kühlen Getränk auf der Terasse über den Preis einig. Aufgeladen, verzurrt und ab Richtung Heimat. Im Rückspiegel tronte der Kotflügel und die Lampenmaske über der Hängerbordwand und meine Freude war kaum zu bändigen.
Daheim angekommen, lies ich das Teil gleich in der Halle verschwinden bevor ich die Beherrschung verloren und gleich mit der Restauration begonnen hätte, immerhin hatte ich noch einen Mercedes W123 fertig zu stellen.



Irgendjemand hatte sich wortwörtlich mit Pinsel und Farbe daran zu schaffen gemacht und die ganze Maschine schwarz gestrichen. Das Ergebnis entsprach nicht gerade meinem Geschmack.



Der Rahmen war ebenso mit Pinsel gestrichen worden, überall kam rote Grundierung zum Vorschein, ein Stück Schlauch zierte den Schalthebel.



Im Dezember, kurz vor Weihnachten war es dann soweit. Die GS wurde in die Werkstatt verbracht. Der montierte Schalldämpfer lieferte zwar einen guten Klang, gefiel mir aber optisch nicht wirklich. Also abmontiert und für später eingelagert. Für den Rest der Aupuffanlage half nur noch die Flex. Die Krümmer waren am Bund zum Mitteldämpfer durchgerostet. Den Mitteldämpfer konnte ich retten. Dieser wurde später gestrahlt und lackiert.


Je weiter demontiert wurde und je genauer betrachtet wurde desto mehr stellte sich heraus, dass sich die GS technisch in einem erbärmlichen Zustand befand. Das Motorrad muss jahrelang im Freien gestanden haben. Ich entschied mich die BMW komplett in alle Einzelteile zu zerlegen, jede Komponente wo nötig zu überholen und alles wieder zusammen zu setzten.
Also hier der Plan: Vollrestauration, Beginn Dezember'19, geplante Fertigstellung Ostern '20.
Hier ein paar Impressionen:


Endantrieb mit Waschbenzin gesäubert

Getriebeöl auf den Bremsbelägen verrät einen undichten Simmerring am Endantrieb

Innerhalb kürzester Zeit war die GS in alle Einzelteile zerlegt


Getriebe mit Hochdruckreiniger gesäubert


Die Gabelholme wurden zerlegt, gesäubert und mit neuen Dichtungen wieder montiert.




Richtig böse erwischt hatte es die Vergaser. Einen konnte ich retten, beim zweiten war jeder Rettungsversuch vergebens. Eingedrungenes Wasser hatte sämtliche Teile oxidieren lassen, selbst durch erwärmen mit einer weichen Flamme lies sich der Düsenstock nicht entfernen, alles total festgefressen. Über Nacht in Rostlöser einlegen zeigte ebenfalls keine Wirkung, das spröde Messingteil brach Stück für Stück weg. Als dann das Gehäuse riss war entgültig Feierabend.
Ich schlachtete den Vergaser aus und gab die noch verwendbaren Teile wie Schieber, Schwimmerkammerdeckel usw. ins Ersatzteillager. Der Erlös seines Bruders floss in die Anschaffung zweier gebrauchter Vergaser.



Die Gehäuse der neuen Vergaser lies ich Glasperlstrahlen, das Innenleben erneuerte ich gänzlich: Haupt- und Leerlaufdüsen, Nadeldüsen, Düsennadeln, sämtliche O-Ringe und Dichtungen wurden ausgewechselt.
Ach ja, dann waren da noch jede Menge Anbauteile die es zu restaurieren galt. Rost und alter Lack wurden weggestrahlt, die Teile danach grundiert und lackiert. So gingen die Abende in der Werkstatt dahin und der milde Winter hatte auch was gutes. Bei den Temperaturen lies es sich prächtig lackieren, die gelackten Teile wurden anschließend im Keller an die Wäscheleine gehängt.




Und schließlich war der Hauptrahmen an der Reihe. Auf einer Schaltafel aufgebahrt wurden die restlichen Anbauteile etwas abgedeckt, da es nur die Rahmenschleifen zu strahlen galt. Obenrum war noch der original Lack in relativ gutem Zustand erhalten.


Nachdem alles penibelst gesäubert war, wurde lackiert. Der Rahmen wurde zuerst mit dem Pinsel gestrichen, aber da das Ergebnis trotz dünn eingestellten Lack nicht befriedigend war wurde nach dem aushärten des Lackes noch einmal verschliffen und mit der Pistole lackiert. Nun kann sich die Oberfläche sehen lassen.
Während die lackierten Teile zum aushärten des Lackes im Keller gebunkert wurden, wollte ich mich an der Technik zu schaffen machen. Vergaser und Gabel waren bereits überholt, aber da gab es noch jede Menge andere Teile die darauf warteten restauriert zu werden. Unschlüssig darüber was ich zuerst machen sollte ging ich in die Garage. Ich stierte in den Haufen Teile. Der Endantrieb stierte zurück. Also rauf auf den OP-Tisch.
Endantrieb – was für ein Bauteil. Lagerspiel, Lagervorspannung, Zahnflankenspiel, Tragbild, Ausgleichsscheiben. Hier gilt penibelste Sauberkeit, ein Körnchen Dreck und das wars. Nachdem der Arbeitsbereich gesäubert war, wurde der Antrieb auf eine saubere Unterlage gelegt. An diesem Bauteil musste vorerst nur der Simmerring ausgewechselt werden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, zwei Spanplattenschrauben oder selbstschneidende Blechschrauben in den alten Simmering zu drehen und diesen damit herauszuziehen. Um den neuen Dichtring anschliesend einzubauen sollte ein spezielles Einpresswerkzeug verwendet werden das den gleichen Durchmesser aufweist wie der Dichtring.
Die zweite Möglichkeit: Den Endantrieb zerlegen.
Da ich bei der ersten Variante befürchtete, dass Teile des Dichtrings ins Innere des Antriebs gelangen könnten, entschied ich mich dazu die Baugruppe zu zerlegen.
Dazu wurde der Deckel mit einem Bunsenbrenner vorsichtig erwärmt und anschließend mit zwei Schrauben M5x30 gleichmäßig abgedrückt. Die original Dichtung war mit einer Dichtmasse eingeklebt. Um sämtliche Dichtungsreste vom Gehäuse entfernen zu können, wurde die Stellung von Tellerrad zu Triebling markiert und anschließend das Tellerrad aus dem Gehäuse genommen.


Tellerrad mit Nabe, Lager und Ausgleichsscheiben

Deckel, Simmerring und Dichtungsreste entfernt

Für die Montage wurde der Gehäusedeckel im Ofen auf ca. 100°C erwärmt. Wichtig bei der Montage ist die Stärke der Dichtung. Diese sollte der Stärke der original Dichtung entsprechen, da sich sonst die Lagervorspannung und somit auch das Zahnflankenspiel und das Tragbild ändert.

Anschließend wurde der neue Simmerring, der zuvor im Tiefkühlfach geschrumpft wurde, vorsichtig mit einem Kunststoffhammer eingepasst.
Die Antriebsmaschine bekam unter anderem eine neue Kupplungsreibscheibe.


Mit dem Ölnebel im Kupplungsgehäuse sah es gar nicht so schlimm aus. Ich verzichtetet vorerst auf das auswechseln des Kurbelwellensimmerrings (irgendwas braucht man ja hin und wieder noch zum Schrauben wenn das Teil fertig ist).
Auf der Stirnseite wurden die Zündungsteile demontiert und der Steuerkastendeckel zum strahlen und lackieren abgenommen.

Eines Tages, ich glaube es muss im Februar gewesen sein, war es dann soweit. Nachdem das letzte viertel Jahr ein Großteil meiner Monatsgehälter per Dauerauftrag an ein Unternehmen mit Sitz in Hayingen weitergeleitet wurde und sich in Folge dessen eine größere Anzahl Pakete mit Neuteilen in der Werkstatt angesammelt hatte, konnte so langsam mit der Montage begonnen werden.



Der überholte Antrieb wird montiert

Neue Reifen: Enduro 1 & 2 von Metzeler

Nachdem sämtliche Kleinteile wie Federn für Haupt- und Seitenständer, Schaltgestänge und Gummiteile wie Schalthebelgummi und Vergaseransaugstutzen usw. montiert waren, waren die Arbeiten am Fahrgestell weitestgehend abgeschlossen.



Das Ventilspiel wird eingestellt

Es war bereits Frühling geworden. Ostern stand vor der Tür. Die Temperaturen waren angenehm mild, vor dem Haus blühten die Krokusse, drumherum tummelten sich Bienen und Hummeln, eifrig damit beschäftigt ihren Nektar zu sammeln.

Das Fahrgestell meiner GS war fertiggestellt und die Königsdisziplin stand mir bevor:
das Lackieren!
Der Lacksatz: Kotflügel, Tank und Seitendeckel. Die originalen Seitendeckel waren durch Hitzeverformung und gebrochenen Haltern unbrauchbar. Ersatz wurde kurzerhand über Siebenrock besorgt. Dem Tank rückte ich mit Flex und Drahtbürste zu Leibe bis nur mehr blankes Metall übrig war. Der vordere Kotflügel wurde von Hand nass geschliffen, ebenso wie die zwei neuen Seitendeckel.




Anschließend wurde das ganze mit Epoxy-Grundierung grundiert. Der Tank benötigte außerdem noch etwas kosmetische Arbeit.



Ich entschied mich für den original-Farbton Dunkelblau Metallic, Farbcode 130 als Zweischicht Lacksystem, also Basislack und Klarlack. Lackiert wurde an einem windstillen Tag im Hof mit einer Satajet 1000 B RP und 0.8er Düse.
Der original Dekorsatz wurde besorgt, also Abziehbilder für Tank und Seitendeckel und der schönste Teil der Restauration konnte beginnen: die Endmontage.
Der Kotflügel wird montiert

Die Abziehbilder werden angebracht


Der fertig lackierte Tank

Vorher – Nachher



Fertigstellung

Bei der Auspuffanlage entschied ich mich für einen Edelstahl Endtopf der Firma Keihan. Dieser wurde Glasperlgestrahlt und anschließend mit einem Hitzebeständigem Keramiklack schwarz lackiert (erworben bei KSD in Langenzenn). Die Verarbeitung dieses Lackes gestaltete sich als anspruchsvoll da der Lack auch bei höheren Außentemperaturen die Eigenschaft aufweist, sofort zu laufen. Man bewegt die Dose mit schnellen, fast schon ruckartigen Bewegungen, so als ob man mit einem Pinsel Farbsprenkler auf eine Leinwand auftragen möchte. Dabei sollte die Lackschicht nicht allzu dick werden um später keine Risse zu bilden. Der Lack brennt sich im Betrieb ein. Wichtig ist, dass vorher getrahlt wird, sonst hält der Lack nicht auf Edelstahl! Bei den Auspuffkrümmern wählte ich ebenfalls die Edelstahlvariante.


Im Fahrbetrieb neigen die Kontaktflächen des linken Seitendeckels zum Auspuff hin zur Hitzeverformung – auf deutsch: die Zapfen die am Auspuff anliegen schmelzen weg.
Abhilfe schafft man sich hier mittels vier kleinen Korkplättchen die man vorzugsweise aus einer Ventildeckeldichtung ausschneidet. Aufgeklebt wurde das ganze mit Pattex Classic.
1500 Kilometer später: die Korkplättchen halten und sind von außen nicht sichtbar

Anfang Mai bekam ich dann endlich einen Termin auf der Zulassung. Nach der ersten Probefahrt wurden die Vergaser nochmal synchronisiert und Gemisch und Leerlauf richtig eingestellt.
Die erste richtige Ausfahrt war ein wahrer Genuss, es ist einfach herrlich diese Ikone zu bewegen.




Ich hoffe ich kann hiermit den ein oder anderen dazu ermutigen mit solch einem Projekt zu starten. Ich kann es euch nur empfehlen, es rentiert sich!
Und jetzt wünsche ich euch entspannte Abende in der Werkstatt, vielleicht mit dem ein oder anderen Bierchen, viel Erfolg bei euren Projekten und allzeit gute Fahrt!
Gruß in die Runde
Philip
Nachdem ich im Sommer vergangenen Jahres eine R100 RS fertig gestellt hatte, wurde ich im September auf ein Inserat im Internet aufmerksam. Es handelte sich um eine R80 G/S, Baujahr '81.
Als Liebhaber alter 2-Ventil-Boxer hatten mir die alten Monolever-G/S schon immer gefallen, ja, ich war regelrecht fasziniert davon. Der hochgesetzte Kotflügel vorne, darüber die Lampenmaske mit dem runden Scheinwerfer, breiter Lenker, der flach nach hinten abfallende Tank, darunter ragen links und rechts die beiden Zylinder des Boxermotors heraus, gerade Sitzbank, hochgezogener Auspuff - was für ein schönes Motorrad!
Im September las ich dann diese Anzeige im Internet. Das Inserat war zu diesem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr online. Drei nicht wirklich aussagekräftige Bilder und ein ein-Zeilen-Text dazu.
Auf den Bildern war lediglich der ziemlich heruntergekommene Zustand zu erkennen. Genau das was ich jetzt brauchte, immerhin stand der Winter vor der Tür. Ich nahm Kontakt zu dem Verkäufer auf und vereinbarte einen Besichtigungstermin. "Keine Papiere..." sagte der Herr noch am Telefon zu mir – auch das noch.
Trotzdem: vorsichtshalber mal den Anhänger und paar Gurte mitnehmen, man kann ja nie wissen.
Dort angekommen wurde die Besichtigung, die eher einer Schadensbegutachtung glich, durchgeführt. Es gab kein Bauteil was nicht flugrostig oder oxidiert war. Sämtliche Gummiteile waren porös oder nicht mehr vorhanden. Noch dazu wurde die ganze Maschine liebevoll von Hand schwarz gestrichen. Nachdem wir die Batterie überbrückt hatten, sprang wenigstens der Motor an und lief einigermaßen ruhig.
Nachdem dann doch noch sämtliche Fahrzeugpapiere auftauchten, wurden wir uns bei einem kühlen Getränk auf der Terasse über den Preis einig. Aufgeladen, verzurrt und ab Richtung Heimat. Im Rückspiegel tronte der Kotflügel und die Lampenmaske über der Hängerbordwand und meine Freude war kaum zu bändigen.
Daheim angekommen, lies ich das Teil gleich in der Halle verschwinden bevor ich die Beherrschung verloren und gleich mit der Restauration begonnen hätte, immerhin hatte ich noch einen Mercedes W123 fertig zu stellen.



Irgendjemand hatte sich wortwörtlich mit Pinsel und Farbe daran zu schaffen gemacht und die ganze Maschine schwarz gestrichen. Das Ergebnis entsprach nicht gerade meinem Geschmack.



Der Rahmen war ebenso mit Pinsel gestrichen worden, überall kam rote Grundierung zum Vorschein, ein Stück Schlauch zierte den Schalthebel.



Im Dezember, kurz vor Weihnachten war es dann soweit. Die GS wurde in die Werkstatt verbracht. Der montierte Schalldämpfer lieferte zwar einen guten Klang, gefiel mir aber optisch nicht wirklich. Also abmontiert und für später eingelagert. Für den Rest der Aupuffanlage half nur noch die Flex. Die Krümmer waren am Bund zum Mitteldämpfer durchgerostet. Den Mitteldämpfer konnte ich retten. Dieser wurde später gestrahlt und lackiert.


Je weiter demontiert wurde und je genauer betrachtet wurde desto mehr stellte sich heraus, dass sich die GS technisch in einem erbärmlichen Zustand befand. Das Motorrad muss jahrelang im Freien gestanden haben. Ich entschied mich die BMW komplett in alle Einzelteile zu zerlegen, jede Komponente wo nötig zu überholen und alles wieder zusammen zu setzten.
Also hier der Plan: Vollrestauration, Beginn Dezember'19, geplante Fertigstellung Ostern '20.
Hier ein paar Impressionen:


Endantrieb mit Waschbenzin gesäubert

Getriebeöl auf den Bremsbelägen verrät einen undichten Simmerring am Endantrieb

Innerhalb kürzester Zeit war die GS in alle Einzelteile zerlegt


Getriebe mit Hochdruckreiniger gesäubert


Die Gabelholme wurden zerlegt, gesäubert und mit neuen Dichtungen wieder montiert.




Richtig böse erwischt hatte es die Vergaser. Einen konnte ich retten, beim zweiten war jeder Rettungsversuch vergebens. Eingedrungenes Wasser hatte sämtliche Teile oxidieren lassen, selbst durch erwärmen mit einer weichen Flamme lies sich der Düsenstock nicht entfernen, alles total festgefressen. Über Nacht in Rostlöser einlegen zeigte ebenfalls keine Wirkung, das spröde Messingteil brach Stück für Stück weg. Als dann das Gehäuse riss war entgültig Feierabend.
Ich schlachtete den Vergaser aus und gab die noch verwendbaren Teile wie Schieber, Schwimmerkammerdeckel usw. ins Ersatzteillager. Der Erlös seines Bruders floss in die Anschaffung zweier gebrauchter Vergaser.



Die Gehäuse der neuen Vergaser lies ich Glasperlstrahlen, das Innenleben erneuerte ich gänzlich: Haupt- und Leerlaufdüsen, Nadeldüsen, Düsennadeln, sämtliche O-Ringe und Dichtungen wurden ausgewechselt.
Ach ja, dann waren da noch jede Menge Anbauteile die es zu restaurieren galt. Rost und alter Lack wurden weggestrahlt, die Teile danach grundiert und lackiert. So gingen die Abende in der Werkstatt dahin und der milde Winter hatte auch was gutes. Bei den Temperaturen lies es sich prächtig lackieren, die gelackten Teile wurden anschließend im Keller an die Wäscheleine gehängt.




Und schließlich war der Hauptrahmen an der Reihe. Auf einer Schaltafel aufgebahrt wurden die restlichen Anbauteile etwas abgedeckt, da es nur die Rahmenschleifen zu strahlen galt. Obenrum war noch der original Lack in relativ gutem Zustand erhalten.


Nachdem alles penibelst gesäubert war, wurde lackiert. Der Rahmen wurde zuerst mit dem Pinsel gestrichen, aber da das Ergebnis trotz dünn eingestellten Lack nicht befriedigend war wurde nach dem aushärten des Lackes noch einmal verschliffen und mit der Pistole lackiert. Nun kann sich die Oberfläche sehen lassen.
Während die lackierten Teile zum aushärten des Lackes im Keller gebunkert wurden, wollte ich mich an der Technik zu schaffen machen. Vergaser und Gabel waren bereits überholt, aber da gab es noch jede Menge andere Teile die darauf warteten restauriert zu werden. Unschlüssig darüber was ich zuerst machen sollte ging ich in die Garage. Ich stierte in den Haufen Teile. Der Endantrieb stierte zurück. Also rauf auf den OP-Tisch.
Endantrieb – was für ein Bauteil. Lagerspiel, Lagervorspannung, Zahnflankenspiel, Tragbild, Ausgleichsscheiben. Hier gilt penibelste Sauberkeit, ein Körnchen Dreck und das wars. Nachdem der Arbeitsbereich gesäubert war, wurde der Antrieb auf eine saubere Unterlage gelegt. An diesem Bauteil musste vorerst nur der Simmerring ausgewechselt werden. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: Die erste besteht darin, zwei Spanplattenschrauben oder selbstschneidende Blechschrauben in den alten Simmering zu drehen und diesen damit herauszuziehen. Um den neuen Dichtring anschliesend einzubauen sollte ein spezielles Einpresswerkzeug verwendet werden das den gleichen Durchmesser aufweist wie der Dichtring.
Die zweite Möglichkeit: Den Endantrieb zerlegen.
Da ich bei der ersten Variante befürchtete, dass Teile des Dichtrings ins Innere des Antriebs gelangen könnten, entschied ich mich dazu die Baugruppe zu zerlegen.
Dazu wurde der Deckel mit einem Bunsenbrenner vorsichtig erwärmt und anschließend mit zwei Schrauben M5x30 gleichmäßig abgedrückt. Die original Dichtung war mit einer Dichtmasse eingeklebt. Um sämtliche Dichtungsreste vom Gehäuse entfernen zu können, wurde die Stellung von Tellerrad zu Triebling markiert und anschließend das Tellerrad aus dem Gehäuse genommen.


Tellerrad mit Nabe, Lager und Ausgleichsscheiben

Deckel, Simmerring und Dichtungsreste entfernt

Für die Montage wurde der Gehäusedeckel im Ofen auf ca. 100°C erwärmt. Wichtig bei der Montage ist die Stärke der Dichtung. Diese sollte der Stärke der original Dichtung entsprechen, da sich sonst die Lagervorspannung und somit auch das Zahnflankenspiel und das Tragbild ändert.

Anschließend wurde der neue Simmerring, der zuvor im Tiefkühlfach geschrumpft wurde, vorsichtig mit einem Kunststoffhammer eingepasst.
Die Antriebsmaschine bekam unter anderem eine neue Kupplungsreibscheibe.


Mit dem Ölnebel im Kupplungsgehäuse sah es gar nicht so schlimm aus. Ich verzichtetet vorerst auf das auswechseln des Kurbelwellensimmerrings (irgendwas braucht man ja hin und wieder noch zum Schrauben wenn das Teil fertig ist).
Auf der Stirnseite wurden die Zündungsteile demontiert und der Steuerkastendeckel zum strahlen und lackieren abgenommen.

Eines Tages, ich glaube es muss im Februar gewesen sein, war es dann soweit. Nachdem das letzte viertel Jahr ein Großteil meiner Monatsgehälter per Dauerauftrag an ein Unternehmen mit Sitz in Hayingen weitergeleitet wurde und sich in Folge dessen eine größere Anzahl Pakete mit Neuteilen in der Werkstatt angesammelt hatte, konnte so langsam mit der Montage begonnen werden.



Der überholte Antrieb wird montiert

Neue Reifen: Enduro 1 & 2 von Metzeler

Nachdem sämtliche Kleinteile wie Federn für Haupt- und Seitenständer, Schaltgestänge und Gummiteile wie Schalthebelgummi und Vergaseransaugstutzen usw. montiert waren, waren die Arbeiten am Fahrgestell weitestgehend abgeschlossen.



Das Ventilspiel wird eingestellt

Es war bereits Frühling geworden. Ostern stand vor der Tür. Die Temperaturen waren angenehm mild, vor dem Haus blühten die Krokusse, drumherum tummelten sich Bienen und Hummeln, eifrig damit beschäftigt ihren Nektar zu sammeln.

Das Fahrgestell meiner GS war fertiggestellt und die Königsdisziplin stand mir bevor:
das Lackieren!
Der Lacksatz: Kotflügel, Tank und Seitendeckel. Die originalen Seitendeckel waren durch Hitzeverformung und gebrochenen Haltern unbrauchbar. Ersatz wurde kurzerhand über Siebenrock besorgt. Dem Tank rückte ich mit Flex und Drahtbürste zu Leibe bis nur mehr blankes Metall übrig war. Der vordere Kotflügel wurde von Hand nass geschliffen, ebenso wie die zwei neuen Seitendeckel.




Anschließend wurde das ganze mit Epoxy-Grundierung grundiert. Der Tank benötigte außerdem noch etwas kosmetische Arbeit.



Ich entschied mich für den original-Farbton Dunkelblau Metallic, Farbcode 130 als Zweischicht Lacksystem, also Basislack und Klarlack. Lackiert wurde an einem windstillen Tag im Hof mit einer Satajet 1000 B RP und 0.8er Düse.
Der original Dekorsatz wurde besorgt, also Abziehbilder für Tank und Seitendeckel und der schönste Teil der Restauration konnte beginnen: die Endmontage.
Der Kotflügel wird montiert

Die Abziehbilder werden angebracht


Der fertig lackierte Tank

Vorher – Nachher



Fertigstellung

Bei der Auspuffanlage entschied ich mich für einen Edelstahl Endtopf der Firma Keihan. Dieser wurde Glasperlgestrahlt und anschließend mit einem Hitzebeständigem Keramiklack schwarz lackiert (erworben bei KSD in Langenzenn). Die Verarbeitung dieses Lackes gestaltete sich als anspruchsvoll da der Lack auch bei höheren Außentemperaturen die Eigenschaft aufweist, sofort zu laufen. Man bewegt die Dose mit schnellen, fast schon ruckartigen Bewegungen, so als ob man mit einem Pinsel Farbsprenkler auf eine Leinwand auftragen möchte. Dabei sollte die Lackschicht nicht allzu dick werden um später keine Risse zu bilden. Der Lack brennt sich im Betrieb ein. Wichtig ist, dass vorher getrahlt wird, sonst hält der Lack nicht auf Edelstahl! Bei den Auspuffkrümmern wählte ich ebenfalls die Edelstahlvariante.


Im Fahrbetrieb neigen die Kontaktflächen des linken Seitendeckels zum Auspuff hin zur Hitzeverformung – auf deutsch: die Zapfen die am Auspuff anliegen schmelzen weg.
Abhilfe schafft man sich hier mittels vier kleinen Korkplättchen die man vorzugsweise aus einer Ventildeckeldichtung ausschneidet. Aufgeklebt wurde das ganze mit Pattex Classic.
1500 Kilometer später: die Korkplättchen halten und sind von außen nicht sichtbar

Anfang Mai bekam ich dann endlich einen Termin auf der Zulassung. Nach der ersten Probefahrt wurden die Vergaser nochmal synchronisiert und Gemisch und Leerlauf richtig eingestellt.
Die erste richtige Ausfahrt war ein wahrer Genuss, es ist einfach herrlich diese Ikone zu bewegen.




Ich hoffe ich kann hiermit den ein oder anderen dazu ermutigen mit solch einem Projekt zu starten. Ich kann es euch nur empfehlen, es rentiert sich!
Und jetzt wünsche ich euch entspannte Abende in der Werkstatt, vielleicht mit dem ein oder anderen Bierchen, viel Erfolg bei euren Projekten und allzeit gute Fahrt!
Gruß in die Runde
Philip