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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Leichtbau-Verkleidungshalter Zuggurtung



Fritz
27.02.2008, 08:59
Leichtbau-Verkleidungshalterung mit Zuggurtung

Wieder mal was Neues aus meiner Experimentierküche (soll keine Bauanleitung sein!) :

Diesmal habe ich mir die Halterungen meiner Habermann-Verkleidung (Typ Spitfire in 3/4-Version, Bj. 1986 an Vollschwingen-R 60/2, 1968) vorgenommen.

Die alten Teile -je ein Doppelrohr links und rechts, an den vorderen Rahmenunterzügen angeschellt, sowie oben ein „Geweih“ auf verlängerter Lenkkopfmutter- wiegen zusammen reichlich 3 kg. Die neuen, selbstgebauten Teile bringen komplett ca. 468 gr auf die Waage - und erfüllen ihren Zweck besser!

Die Idee kam mir von der Biomechanik her, Stichworte „Zuggurtung“ und „Dreiecksverbände“. In der Natur ist uns idealer Leichtbau, optimal an die Belastung angepaßt, ja vielfach vorgemacht, z.B. in der Bälkchenstruktur der Knochen. Der Ausleger eines modernen Baukranes wird nach dem gleichen Zuggurtungsprinzip hochgehalten, wie schon lange vorher der ewig lange Hals des ollen Brontosaurus.

Eine Zeltstange, die ohne Spannschnüre gleiche Stabilität böte, wäre ein besserer Laternenmast, den wohl keiner im Gepäck haben möchte. Genau das sind vergleichsweise aber die bisherigen Halter der Verkleidung. Trotz dieses Materialaufwandes lassen sie Bewegung und Dröhngeräusche zu, die selbst von den dicken Gummi-Metall-Muffen nicht verhindert werden. Eine besonders wackelige Angelegenheit ist das Geweih, das sich auf einem Gewinde dreht, zumal, wenn dieses ausleiert. Unschön ist ferner der von den Halteschellen verquetschte Lack am Rahmen; außerdem stören die Dinger beim Abnehmen des LiMa-Deckels.

Darum habe ich mir eine komplette Neukonstruktion angetan. Der Erfolg entschädigt wirklich für die viele Arbeit. 85 % Gewichtsersparnis sind wohl ein Wort; ebenso erfreulich ist die bessere Funktion. So fest wie jetzt hat die Verkleidung vorher nicht gesessen, und die Geräusche auf Schlaglochstraßen sind weitgehend weg. Im einzelnen:

Der Hauptträger sitzt jetzt vorn unter der Verkleidungsnase verschraubt und geht nach hinten unter dem Lenkkopf durch, wo er an einer schon vorhandenen Rahmenlasche (Halter für den Lenkanschlag) befestigt ist. Es handelt sich um ein Alu-Rechteckrohr 18x24x1 mm aus exklusivem High-Tech-Material (Ausleger einer handelsüblichen Wäschespinne!). Edit: Diesen Träger habe ich inzwischen durch ein 20x20x1,5 -Alurohr ersetzt. Ist erheblich stabiler und kaum schwerer. Das "Spinnenbein" hatte sich durch Winddruck etwas nach oben verbogen; ist nun kein Thema mehr.
Die Lenkeranschlagplatte –auch ein Alu-Nachbau- ist mit dem Träger verschraubt / verklebt und bringt zusätzliche Seitenstabilität. Überhaupt ist es ein gutes Prinzip für den Leichtbau, schon vorhandene Bauteile in Doppelfunktion zu nutzen, anstatt neue hinzuzufügen.

Dieser Hauptträger wird beidseits nach hinten oben verspannt mit einem 2 mm-Drahtseil (Bowdenzug). Als Haltepunkt dient die ohnehin vorhandene, nun etwas verlängerte Tank-Befestigungsschraube (Doppelfunktion). Sie nimmt links und rechts die neuen Aluhalter auf, in die Seilzug-Stellschrauben eingedreht werden. So läßt sich das Unterteil spielfrei an den unteren Lenkkopf anlegen, ohne jedoch die Lenkung zu beeinflussen, und evtl. Längung des Drahtseils kann ausgeglichen werden.

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Siehe dazu die Skizzen in Seitansicht und Aufsicht. Wie man sieht, ergeben sich in beiden Ebenen Dreiecksverbände. Einfacher gesagt (:-)), ist das Ganze vertikal und horizontal trianguliert. Dieses System trägt die Hauptlast der Verkleidung und wiegt dabei ganze 230 gr (Rechteckrohr mit Schrauben, Gummiunterlagen, Drahtseil und 2 Haltern incl. Einstellschrauben; bei Schrauben mit Doppelfunktion ist nur das Mehrgewicht der nötigen Verlängerung berechnet).

Die hinteren Enden der Verkleidung sind mit je einem Alu-Rundrohr 12x1 mm am Motorblock angeschraubt. Die Belastung dort ist nicht groß; hauptsächlich sind es Abstandshalter. Damit das Rohr nicht von der Schraube zusammengedrückt wird, steckt innen drin ein durchbohrtes Rundmaterial. In die andere Seite ist eine Buchse mit Innengewinde eingepreßt / geklebt, siehe Skizze. Gewicht beider Rohre zusammen ca. 93 gr.
Diese Bauart hält mehr aus, als man ihr zutraut. Z.B. ist das Endstück vom HR-Schutzblech entsprechend mit Alu-Vierkantrohren 10x1 mm befestigt, und ich kann daran ohne weiteres die Maschine zum Rangieren hinten hochheben.

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Zuguterletzt das Geweih: Es dreht sich jetzt nicht mehr auf einem lodderigen Gewinde, sondern auf Teflonbuchsen, die sich leichtgängig, aber spielfrei einstellen lassen. Als Träger dient weiterhin eine verlängerte Lenkkopf-Mutter, die nun aber aus hochfester Alu-Legierung besteht. Oben sind die Ausleger mit der Verkleidung verschraubt und halten dort gleichzeitig die Plexiglas-Scheibe. Die Bauteile wiegen zusammen knapp 145 gr.

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Das Ganze ist wieder ein Beispiel, wie schön unser Hobby sein kann. Von der Idee über die Konstruktion und handwerkliche Ausführung bis zur erfolgreichen, praktischen Anwendung alles in einer Hand, das macht jedenfalls mir (schweinemäßigen) Spaß.

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Darauf einen schwäbischen Landwein !

Grüßle,

Fritz.

Edit 2014: Bei einer Umstellung des Forums sind die meisten Bilder verlorengegangen, darum hier neue Photos!

udo
19.03.2008, 22:09
Hallo Fritz,

ich habe es jetzt erst geschafft, deinen Text + Fotos hier einzustellen.

Wenn die Fotos nicht so in der richtigen Reihenfolge sind, dann sag mir das bitte per Mail oder PN.

Ansonsten:

Wieder mal ein )(-: )(-: )(-: für deine Optimierung ;-JJJ

Karl
19.03.2008, 22:55
Äh,.......
Ja, also ich bin schwer beeindruckt!Wie das funktioniert, wie das aussieht*
Ich bin ja schon stolz drauf, dass ich Nord-Lock verwende!!
Na gut*
Glückwunsch Fritz!

Klaus
20.03.2008, 10:46
Hallo,

Biomechanik ist ein hochinteressantes Feld, beruflich habe ich mich dem Thema von der anderen Seite her genähert.

Spezialist (wenn auch in Baumfachkreisen nicht unumstritten) ist Prof. Mattheck. Für denjenigen der sich leicht verständlich einlesen will, und die Zusammenhänge ohne lange mathematische Herleitung begreifen will empfehle ich das Buch "Warum alles kaputtgeht"

http://www.mattheck.de/images/buch13.jpg

Vielleicht etwas "Off topic" aber es ist schon interessant, was sich für Stabilitäts- und Gewichtsvorteile durch einfache Bauteiloptimierung am Vorbild der Natur ergeben können.

Gruß

Klaus

Fritz
20.03.2008, 11:22
Grüß Gott Klaus,

Volltreffer!

Genau die Ideen von Prof. Mattheck waren mir bei obigem Projektle sehr hilfreich. Wen es interessiert, besonders diejenigen in "Design in der Natur - Der Baum als Lehrmeister". Dort geht es zwar primär um an die Belastung angepaßte Wuchsformen, jedoch wird auf dieser Grundlage der Bogen zur Technik und optimierten Konstruktion geschlagen.

Eindrucksvoll besonders für mich, der viel mit (kerbempfindlichem) Alu macht, waren die optimierten Ausrundungen an Dreh- und Frästeilen. Demnach ist die übliche 90-Grad-Rundung keineswegs das letzte Wort; schon eine kaum wahrnehmbare Veränderung brachte eine vielfach höhere Resistenz gegen Ermüdungsbruch.

Hoffentlich gibt es noch ein paar mehr solcher Leute, die (scheinbar) völlig unterschiedliche Wissensbereiche verknüpfen und damit Neues hervorbringen können. Dafür braucht es aber solide Allgemeinbildung, flexibles Denken und eine entwickelte Persönlichkeit. alles Dinge, die ein "Fachidiot" nach Turbogymnasium, Schmalspur-Schnellstudium und kurzatmig zweckorientierter Spezialisierung nicht leisten kann.

Fritz )(-:

Klaus
20.03.2008, 11:42
Servus Fritz,

jetzt wird`s komplett off topic. Ich denke, den Ingenieuren von heute sollte man kein so schlechtes Zeugnis ausstellen. Immerhin sind die es ja, die Forschungsergebnisse aus Matthecks Sektor dankbar aufnehmen. Nach meinem Kentnisstand brummt das Forschungszentrum Karlsruhe nur so.
Dass dabei auch der ständige Druck, Kosten zu optimieren eine Rolle spielt ist mir klar.

Der Knackpunkt ist halt, dass in der Natur noch immer vieles unerforscht ist, obwohl es sich quasi über Jahrmillionen per Evolution selbst optimiert hat.

Insgesamt sind Industrie und Forschung diesbezüglich aber auf dem richtigen Weg, das Problem sind m.E. eher die verkrusteten Strukturen und Betonköpfe an den entscheidenden Stellen in den Unternehmen und Organisationen.

Gruß

Klaus

Frommi
20.03.2008, 12:32
:respekt: :respekt: :respekt:

(gell, Du drinksch ned gern alloi, Fritz !?) :D :D :D

kalle-HH
20.03.2008, 12:58
Hallo Fritz,
wirklich schöner Bericht :applaus: :applaus: :applaus:

Fritz
20.03.2008, 13:11
[quote]Original von Klaus
Servus Fritz,

jetzt wird`s komplett off topic. Ich denke, den Ingenieuren von heute sollte man kein so schlechtes Zeugnis ausstellen.

Gott bewahre, Mißverständnis!!

Ich habe nur meine Sorge über die Zukunft ausgedrückt; fertige Turbo-Absolventen gibt es ja noch nicht. Aber Köpfe sind unser einziger Rohstoff, und wenn wir mit deren Ausbildung weiter so umgehen, werden wir nach treffendem Ausspruch eines bekannten Hirnforschers in 20 J. hier die Hemden für China nähen.

Daß sich hochkarätige Fachleute "dank" kaufmännischer und politischer Vorgaben nicht entfalten können, darüber wird unsere Meinung wohl deckungsgleich sein. Jetzt aber ganz schnell Schluß mit OT.

Frommi:

Ja, mein stummes Werkstatt-Helferlein ist immer treu zu Diensten. :D

Fritz :rotwein:

MM
20.03.2008, 13:18
Ganz große Klasse, Fritz. :applaus: )(-:
Das bringt mich (Maschinenbauer) aber auch sofort zur Frage nach deiner beruflichen Bildung
bzw. Erfahrung. Oder ist das alles nur Folge der Beschäftigung mit deinem Hobby??
Mit dem Roten stoße ich auch an :rotwein:

Fritz
20.03.2008, 13:49
Hallo Michael,

beruflich habe ich nie nicht nix mit Kfz-Technik zu tun gehabt, aber von klein auf gern gebastelt. HNO-Chirurg (auch eine Art Feinmechaniker, der mit Mikroinstrumenten in tiefen, engen Löchern zugange ist) bin ich aus praktischer Neigung heraus geworden.

Nun hocke ich jedoch schon wieder 20 J. am Schreibtisch als Gutachter mit breitem, allgemeinmedizinischem Spektrum und tobe mich lieber in der Werkstatt aus.

Dazu, sich ein gänzlich anderes Gebiet zu erschließen, braucht es Begeisterung. Der frühere Motorrad-Journalist Christian Christophe ("Crius") hat von manchen Leuten gesagt, daß in ihnen "das heilige Motorradfeuer" brenne. Für heutige Ohren sicher eine geschwollene Metapher, aber was er meinte, paßt wohl bei mir auch irgendwie.

Grüßle,

Fritz :rotwein:

Detlev
20.03.2008, 17:29
Genial einfach...einfach genial!

;-JJJ

Karl
22.03.2008, 00:58
Hallo Fritz*
Ähm, sag mal, was ist denn das für ein Auto?
Na, da im Hintergrund, das weinrote?
Auch kein Youngtimer mehr, oder?
:rotwein:

Fritz
25.03.2008, 08:32
Moin Karl,

das ist ein 1947er Buick Roadmaster. Wär früher für´s Autoquartett nicht schlecht gewesen: 6 Sitze, 8 Zyl. Reihe, 5250 ccm, 130 Ps, 2 to leer.

Grüßle,

Fritz.

Andy
25.03.2008, 12:42
Na herzlichen Glückwunsch Papa, der Bericht ist ja wirklich gut gelungen...

Weitere Anregungen kannst du ja bestimmt von den Gästen des kleinen Südstaatler Treffen mitnehmen.

Liebes Grüßle,


Sohnemann

Karl
25.03.2008, 20:04
Hallo Fritz,
ja, äh, sachma Du wärst doch eigentlich der Typ der mal in OldtimerPraxis ein paar Seiten wert sein sollte, odrr?
Sone alte BMW aber verbessert, aber Oho* und son olles Auto (sorry ;))
und Simson and so on........Die wahre Seite des Chirurgen?
Hm?
Na wer weiss, was bei Dir noch für Talente ihr (Un)wesen treiben?
:rotwein:
;)

Q-Schrauber
25.03.2008, 20:59
Original von Fritz
Hallo Michael,

beruflich habe ich nie nicht nix mit Kfz-Technik zu tun gehabt, aber von klein auf gern gebastelt. HNO-Chirurg (auch eine Art Feinmechaniker, der mit Mikroinstrumenten in tiefen, engen Löchern zugange ist) bin ich aus praktischer Neigung heraus geworden.
........

Grüßle,

Fritz :rotwein:

Hallo Fritz,

prima Arbeit, clever geplant und edel umgesetzt )(-:

Da ich Dank Udo´s chirurgischen Eingriffen Probleme mit meiner Nase habe ........

http://www.2-ventiler.de/board//attachment.php?attachmentid=913

begebe ich mich vertrauensvoll in Deine Hände vielleicht ist da noch etwas zu retten. ;;-)

Fritz
26.03.2008, 08:29
Original von Karl
Hallo Fritz,

Na wer weiss, was bei Dir noch für Talente ihr (Un)wesen treiben?
:rotwein:
;)

Hallo Karl,

ich sag´nur soviel: Dr. Jekyll und Mr. Hyde... Je näher die Pension rückt, desto öfter kommt Mr. Hyde raus :D

In der Oldtimer Markt hatte ich mal einen Artikel, müßte 2/98 gewesen sein, ging über Erinnerungen an die Motorisierung in den 50er/60er-Jahren.

Dominik,

überleg´Dir gut, wem Du Dich auslieferst! Mr. Hyde hat zuweilen einen garstigen Humor. Postoperativer Blick in den Spiegel: :entsetzten:

Grüßle,

Fritz )(-:

Fritz
08.06.2010, 19:17
Hallo,

nach zwei Jahren Praxis mit der neuen Halterung hier noch zusätzliche Verbesserungen.

Eine kleine Restbeweglichkeit der Verkleidung war noch vorhanden, was unter ungünstigen Umständen wohl zu Kraftspitzen führt. Jedenfalls ist bei einer Reise über tschechische Schlaglochpisten der Seilzug an der vorderen Befestigung gerissen. Er war dort nur um den Schraubenschaft herumgeführt; der Radius war wohl zu eng. Zur Abhilfe habe ich als Führung ein kleines Alu-Teil, ähnlich einer Seilrolle, auf die Schraube gesteckt.

Die wichtigste Verbesserung ist aber die zusätzliche Halteschraube unter dem Steuerkopf, s. Bilder. Dazu habe ich unten in das Lenkkopfrohr eine Alu-Hülse eingepreßt und mit Loctite verklebt, in der ein Stückchen Gewindestange M6 sitzt. Dieses geht durch den Hauptträger (das Vierkantrohr) und wird von unten mit einer Stopmutter festgeschraubt. Da sich dieses Teil beim Lenken mitdreht, ist dort als Zwischenlage eine Teflonscheibe. So läßt sich die Sache spielfrei einstellen, ohne die Lenkung zu beeinflussen.

Jetzt sitzt alles bombenfest, der Haltezug ist entlastet, und die letzten Rappelgeräusche bei schlechter Straße sind auch weg. Evolution im Detail ! :]