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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Restauration BMW R75!



beemer2912
12.02.2015, 20:54
BMW R75, für meinen Vater ein Name der nach schwerem Beiwagengespann gepaart mit hochinteressanter Technik und Erinnerungen aus der Nachkriegszeit verbunden ist. Als Heimatvertriebener kam er nach Kriegsende 1946 mit 14 Jahren nach Schweinfurt in Unterfranken und wurde von dort, mit seinen Eltern und Großeltern, in Madenhausen, 12km nördlich von Schweinfurt, einquartiert. Dann kam die Lehre als KFZ-Schlosser bei Daimler-Benz in Schweinfurt , dann der Beruf, dann die Heirat und dann die Kinder. Der Gedanke ein solches Krad selbst einmal zu besitzen erlosch aber nie. Nach Kriegsende kümmerte sich niemand um die zurückgelassenen Kräder und Fahrzuge. In den 60er und 70er Jahren schon mehr und Anfang der 90er waren es schon gesuchte Raritäten zu horrenden Preisen. Dennoch hatten wir Glück.:D Durch Zufall erfuhren wir von einer Ladung Ural-Motorräder aus Russland, unter der sich auch ein Paar BMW R75 befinden sollten. Nach einer ersten Besichtigung der „Fahrzeuge“ war die erste Euphorie einer nüchternen Betrachtungsweise gewichen. Doch rechter Schrott der da aus Russland kam. Wieder zuhause wurde kräftig über das angebotene Material diskutiert und wir kamen zu dem Schluß, für 5500,-DM eine fast komplette R75 da müssen wir doch zuschlagen. Gesagt getan und schon bald stand unsere Neuerwebung im heimatlichen Hof.
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Nun wurde die ganze Fuhre erst mal zerlegt und eine Bestandsaufnahme gemacht. Beim zerlegen des Motors kamen einige seltsame Eigenbaumaßnahmen zum Vorschein. Vermutlich aus Ersatzteilmangel ( keine passenden Kolben und Pleuelbolzen ) waren die Pleuelstangen im oberen Drittel kurzerhand abgesägt worden und mit entsprechenden Teilen aus russischer Produktion ergänzt worden. Ein passendes Pleuelauge war stumpf angeschweißt worden. Das Steuerrad der Nockenwelle war wahrscheinlich verschlissen und durch ein entsprechendes Teil aus Novotex ersetzt worden. Dabei diente das abgedrehte Altteil als Träger, für das „neue“ Kunststoffrad. Gegen verdrehen war das Ganze durch ein paar Nägel gesichert.
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Das Motorgehäuse war an einigen Stellen stark beschädigt. Das Getriebe, der Hinterachs- und Seitenwagenantrieb waren dagegen in erstaunlich gutem Zustand. Da das Motorgehäuse eh stark beschädigt war, entschlossen wir uns einen kompletten, guten Motor zu kaufen. In der Nähe unseres Heimatortes gibt es einen Spezialisten für BMW und Zündapp-Kräder, bei dem wir einen guten R75 Motor für 2000,-DM kauften. Auch sonst ist es ja eine gute Sache wenn man für Ersatzteile keine langen Wege in Anspruch nehmen muss. Der Motor wurde trotzdem zerlegt, alle Teile überprüft, das Motorgehäuse Glasperl gestrahlt und das Ganze dann wieder zusammen gesetzt.
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Da wir mit dem Motorrad fahren wollten und keine Originalitätsfanatiker sind, haben wir uns entschlossen eine BMW/5 Lichtmaschine an den Motor an zu passen. So hat man wenigstens ein gutes Licht. Da auch keine originalen Vergaser dabei waren, bauten wir welche einer R50/5 an. Damit läuft die BMW, nach einigen Einstellarbeiten, recht gut. Der Luftfilter stammt auch aus eigener Produktion und die vielen Kriegsveteranen, die ich getroffen habe, bemerken das auch nicht. Für den Rahmen baute sich mein Vater extra eine Rahmenrichtbank.
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Jetzt gingen die Arbeiten recht flott weiter. Getriebe, Hinterachs- und Seitenwagenantrieb waren ja in recht gutem Zustand und bedurften nur wenig Arbeit. Dann das Ganze zusammen gesetzt und der ersten Probefahrt, noch ohne Seitenwagenboot, im heimatlichen Hof stand nichts mehr im Wege.
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Das SW-Boot hat mein Vater durch eines aus russischer Produktion ( Ural ) ersetzt. Das Original mit Einschusslöchern steht noch bei uns im Schuppen. Die Unterschiede zum original Boot sind nur gering und wie gesagt, wir sind keine Originale. Die Abnahme beim TÜV war kein sonderlich großes Problem, für den abnehmenden Prüfer war es nur der größte Spaß, dass er mit dem Gespann rückwärts fahren konnte. Nun kamen die richtigen Probefahrten. Bei uns auf dem nahe gelegenen Truppenübungsplatz der US-Streitkräfte, wurde das Fahrzeug besonders getestet. Doch nach ca. 200km stellte sich ein kapitaler Motorschaden an der Maschine ein. Die Zylinder waren hinüber und auch sonst war einiges am Motor defekt. Doch warum? Nach längerem Suchen nach der Ursache des Motorschadens, stellten wir eine Manipulation der Ölpumpe fest. Wahrscheinlich war der Motor zuvor in einem russischen Krad eingebaut gewesen. Da diese im Getriebe nur 2 Wellen verbaut haben, anstatt 3 wie in deutscher Produktion, und sich dadurch die Drehrichtung des Antriebsstranges ändert, haben die Russen anscheinend den R75 Motor rückwärts laufen lassen und mussten darum auch die Drehrichtung der Ölpumpe ändern. Dies wurde durch zwei über kreuz angebrachte Bohrungen, die mit Kupferrohr ausgekleidet waren, bewerkstelligt. Das viel erst bei genauerem Untersuchen des Motorblocks auf und wurde durch entfernen der Rohre und verschließen der Bohrungen dann schnell zurück gebaut. Die originalen Zylinder waren allerdings hinn und wurden durch „neue Zylinder“ aus tschechischer Produktion ersetzt. Diese machten dann allerdings, durch klemmen der Kolben im Zylinder, Probleme. Nach überarbeiten der Kolben und der Zylinder durch einen befreundeten Motor-Instandsetzer laufen sie bis heute tadellos. Mein Vater ist jetzt 82Jahre und das Krad wird nicht mehr so oft bewegt wie früher, aber es ist immer noch ein treuer Freund unserer Familie und wird auch manchmal bei Behinderten Ausfahrten hier bei uns in Maria Bildhausen eingesetzt.
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Von 1992 bis 2003 fand in der nähe von Schweinfurt ein Wintertreffen der Rannunger Motorradfreunde statt.Wer erinnert sich? (http://forum.2-ventiler.de/vbboard/showthread.php?55146-Wer-erinnert-sich) Da tat auch die R75 als geländegängige Zugmaschine mit Schneekette auf dem Seitenwagenrad gute Dienste. Ich habe damit so manchen Neuankömmling die Anfahrt zur Jungviehweide bei Weisbach Rhön hinauf gezogen.

Pemba
12.02.2015, 21:11
Schöner Bericht - Danke!