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Thema: Ventileinstellplättchen
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04.03.2022, 23:22 #51
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05.03.2022, 10:44 #52
AW: Ventileinstellplättchen
Ich antworte noch mal kurz zum Thema "Shims selbst machen", sozusagen auf Wunsch von Phil und Frank, die eine weiterführende Diskussion wünschten.
Der Ausgangspunkt war die Frage von Martin nach Shims für die 2-Zylinder Kawa 750 ccm. Mein Vorschlag war, diese Shims ggf. selbst zu machen, durch Drehen, Härten und Schleifen. Dem wurde widersprochen.
Klugscheißermode an:
Ich zitiere also einmal die maßgebliche Literatur von berühmten Motorenkonstrukteuren dazu:
Zum Thema Werkstoff für Shims:
Ich habe mal das grundlegende, beste und immer noch gültige Buch zum Thema heransgezogen, den "Bensinger". Dipl.-Ing. Wolf-Dieter Bensinger war Abteilungsdirektor und damals oberster Motorenkonstrukteur bei Daimler-Benz. Er schreibt: "Die Paarung gehärteter Stahl - weiß erstarrter Grauguß (das ist Schalenhartguß) ist besonders geeignet". Wer's nicht glaubt:
Wrr übrigens eine Nockenwelle für die 2V-BMW selbst von Grund auf entwerfen möchte: Im "Bensinger" stehen alle maßgeblichen Formeln, ist allerdings hardcore-stuff. So be warned.
Der Motorenkonstrukteuer Lufwig Apfelbeck empfiehlt für Eigenbau-Nockenwellen Einsatzstahl 16MnCr5, wobei er von Nockenwellen für 4-Zylinder mit daher 8 Nocken ausgeht. Ich selbst würde eine Nockenwelle immer mit Einzelnocken aus härtbarem Stahl herstellen, die dann auf einer Stahl-Trägerwelle befestigt werden durch Aufpressen, Passfeder etc.
Einsatzhärten ist eine schwierige Kiste, wenn man's richtig machen will und eigentlich nichts für zuhause. Auch das anschließende Richten des Härteverzugs ist nicht ohne. Wir hatten (und haben) bei der Firma, bei der ich Leiter der Konstruktion und Entwicklung war, bevor ich an die Uni berufen wurde, eine riesige Härterei mit allen Spezialitäten wie Einsatzhärten im Kammerofen, nitrieren und carbonitrieren, härten in Cyanbädern, und daher habe ich eine gewisse Grundahnung vom Härten.
Was ist härtbarer Stahl: Jeder Stahl, der über 0,2 ~ 0,3 % Kohlenstoff hat. Also als Klassiker C45, wenn bessere Durchhärtung gewünscht ist (was aber bei Shims keine Rolle spielt) 42 CrMo4. Beide sind sehr gut zu beschaffen und gutmütig im Handling. Wer noch größere Härte haben will, geht auf 100Cr6 (der klassische Wälzlagerstahl, aber schwieriger für den Hobbyanwender zu beschaffen) oder den 115CrV3, besser bekannt als Silberstahl, der sehr gut beschaffbar ist, z.B. bei Wilmsmetall (keine Werbung!).
Zum Thema Hertz'sche Pressung und Schmierung:
Die Hertz'sche Pressung als Hauptbeanspruchung hier, z.B. der dafür zutreffende Kontakt Zylinder (so wird die Nockenwelle betrachtet) - Ebene (so wird der Flachstößel oder Tassenstößel betrachtet) ist nicht abhängig von der Reibung, sondern hauptsächlich von der Kraft F und den Krümmungsradien. Wer's nicht glaubt: Hier zwei Seiten aus dem weit verbreiteten Lehrbuch "Decker:Maschinenelemente" (besagtes Kapitel ist von mir, ahem):
Klugscheißermode aus.
Viele Grüße
FrankTechnische Videos der Uni Bayreuth: www.YouTube.com/@prof-rieg
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05.03.2022, 15:27 #53
AW: Ventileinstellplättchen
Frank, danke für's weiter machen
Zum Thema Hertz'sche Pressung und Schmierung:
Was du schreibst ist natürlich vollkommen richtig. Mit hoch adidivierten Ölen kann man da aber schon erheblich Einfluss nehmen, und was beeinflussen diese....die Reibung. Damit beziehe ich mich aber nicht auf Motoren. Aber auf ein System wo über eine Rolle auf eine Nocke massive Kräfte eingeleitet werden, oder auch anders rum. Da treten hertzsche Pressungen jenseits von gut und böse auf. Je nach verwendeten Öl, geht es gut, oder auch nicht.
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06.03.2022, 13:12 #54
AW: Ventileinstellplättchen
Phil,
in Sachen Schmierung hast du ganz recht, das schreibt ja auch der Bensinger in dem Ausschnitt in meiner vorherigen Antwort. Ein hochwertiges Öl hilft beim Gleitverschleiß solcher Nockenkontakte enorm.
Pittings dagegen, also das Ausbröckeln der Laufflächen von innen heraus, so wie Karies, kommen durch zu hohe Hertz‘sche Flächenpressungen zustande. Die höchsten Spannungen sind unter der Oberfläche, siehe die Bilder in meiner vorherigen Antwort - da kann das Öl wenig dagegen machen.
Viele Grüße
FrankTechnische Videos der Uni Bayreuth: www.YouTube.com/@prof-rieg
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06.03.2022, 21:37 #55
AW: Ventileinstellplättchen
...und wieder mal eine Menge gelernt, danke für's mitteilen.
Ist in diesem Zusammenhang eigentlich jemandem bekannt, welche fehlerhafte Materialpaarung Opel bei den Nockenwellen der 1,3l Motoren Anfang der 80er Jahre hatte?
Gruß, FrankWenn das Aufdecken von Verbrechen selbst als Verbrechen geahndet wird, werden wir von Verbrechern regiert.
E. Snowden
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08.03.2022, 08:06 #56
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AW: Ventileinstellplättchen
Moing,
ich hab mal ganz kurz in den 80erjahren als Werkzeugmacher im Profitzentrum der Friedrich Deckel AG gearbeitet, das war eine Härterei mit Schwerpunkt induktives Härten. Unter Anderem wurden da auch Graugussnockenwellen im Durchlaufverfahren induktiv gehärtet. Zu der Zeit waren die Nockenwellenprobleme bei einem Opel 6Zylinder im Gespräch, wo sich die Nocken der mittleren Zylinder abliefen.
Im Gegensatz zu Nockenwellen aus Schalenhartguss, der schon beim Gießen durch in die Gussform eingesetzte Abschreckschalen an den gewünschten Stellen zu Hartguss erstarrt, werden beim induktiven Härten von normal erstarrtem Grauguss die zu härtenden Stellen mittels Induktion nochmal relativ kurz und stark im Oberflächenbereich erwärmt und unmittelbar danach abgeschreckt. Da die Erwärmung nur recht kurz und ohne nennenswerte Haltezeit stattfindet, erhöht man zur Kompensation die Temperatur über den Wert hinaus, den man mit Haltezeit brauchen würde. Liegt die Temperatur vor dem Abschrecken zu niedrig, oder wird nicht schroff genug abgeschreckt, bleibt die Oberfläche im falschen Gefügezustand und ist dadurch möglicherweise nicht besonders verschleißfest, obwohl die gewünschte Härte erreicht wurde.
Wird die Stichprobenprüfung nur auf Härte und nicht auf Gefüge durchgeführt, können solche Nockenwellen durchkommen, obwohl sie untauglich sind. So hat der Härtemeister das seinerzeit erklärt.
Und so sieht das Induktionshärten von Nockenwellen beispielsweise aus:
https://youtu.be/igYqVEOJTHI
Gruß
Hans
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08.03.2022, 08:33 #57
AW: Ventileinstellplättchen
Danke Dir, Hans
Wenn das Aufdecken von Verbrechen selbst als Verbrechen geahndet wird, werden wir von Verbrechern regiert.
E. Snowden
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08.03.2022, 09:36 #58
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AW: Ventileinstellplättchen
Hier übrigens eine aus zwei Einzelnocken zusammengesetzte Nockenwelle, einer meiner ersten fehlgeschlagenen Werkstoffversuche.
Die Nocken hab ich aus ruckfreien Ventilerhebungskurven gerechnet und gefräst, die ich nach dem oben genannten Skript von Wolf-Dieter Bensinger programmiert hab. (1996, unter Turbopascal in MS-DOS) Werkstoff ist 1,2mm tief einsatzgehärteter 16MnCr5 mit 60HRC, die Kipphebel sind serienmäßig, haben eingeschweißte Gleitklötzchen aus einem Ferro-Titanit-Hartstoff, der normalerweise sehr gut gegen harten Grauguss läuft. Aber eben scheinbar nicht gegen Stahl. Die eckigen Kipphebelgleitflächen haben normalerweise einen definierten Radius. Öl war MOTUL 300V 20W50. So sah das nach ca. 300km aus.
Ich hab auch noch ähnlich aussehende Nocken in 90MnCrV8, und welche in Nitrierstahl 34CrAlMo5, gasnitriert und DLC-Beschichtet.
In allen Fällen hätten hartverchromte Kipphebel vermutlich problemlos funktioniert.
Gruß
HansGeändert von Hansemann (08.03.2022 um 09:39 Uhr)
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08.03.2022, 10:18 #59
AW: Ventileinstellplättchen
Dann stell bitte dein Turbo-Pascal-Programm hier ein - der eine oder andere wird es gut brauchen können.
Viele Grüße
FrankTechnische Videos der Uni Bayreuth: www.YouTube.com/@prof-rieg
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08.03.2022, 19:54 #60
AW: Ventileinstellplättchen
Danke für Eure Fachbeiträge, die für mich enorm interessant sind – auch wenn ich manches nicht bis zum Ende durchdringe…
Gruß,
Florian
R 90/6 Bj 1976 Bowdenzug...
25.04.2024, 05:55 in Mechanik