Meine motorisierte Vergangenheit begann, als ich beim genauesten Beobachten dessen, was Papa im Fiat 500 tat, mir vorstellte, was ich machen müsste, um autozufahren (ja buuhu, Dose). Der Versuch mit sieben Jahren, auf dem Hof meiner Oma am Möhnesee, ging schief. Er war aber auch unmotorisiert. Handbremse-Lösen und Gangrausnehmen (im winzigen Auto nicht mal für den Siebenjährigen schwer, an die Kupplung zu kommen) ergab ein munteres, irgendwie unaufhaltsames Rollen im Bogen – und der Fiat landete in der Bache jenseits der Dorfstraße. Herausfahren ging nicht - Opa musste ihn mit dem Deutz-Zweizylinder-Trecker dort raustrecken.

Riesenschreck beim Papa. Scharfe Worte von Mama zum Papa, wie dämlich er den Fiat hingestellt hätte – und nicht auf die Schlüssel aufgepasst. Keine Lenkradsperre, sondern ein Schaltschloss, das nicht eingerastet war.

Ich nahm mir vor, es besser zu machen. Mit zwölf tat ich das. Fuhr schwarz Auto, wenn meine Eltern samstagsabends in der Kirche waren. Papa hatte mittlerweile einen Sparkäfer. VW 1200 A. Solange, bis mich der jüngste Bruder bei Papa verpetzte.

„Du hast mein Vertrauen missbraucht“, hörte ich dann. Das saß.

Dies nur vorweg, um zu erklären, wie narrisch einer schon als Kind auf alles war, was den Raum der Freiheit, sich zu bewegen, erweiterte.

Beim Zeitungs-Austragen des Kirchenblattes RUHRWORT im Essener Westen, wo wir lebten, hatte ich einen kleinen Zeitungsladen gesehen, der Zeitungen über Autos und Zeitung über das Motorradfahren anbot. Ich kaufte von meinen paar Mücken die zwei Ausgaben DAS MOTORRAD von der Sommermitte 1972, darauf eine Yamaha DS 7 und eine Geländemaschine.

Denn es stand der entsetzlich öde Sommerurlkaub bevor – mit dem Zeltanhänger „Faltmeister“ oder Nimrod (Belgien) nach Castricum in Nordholland zu fahren, und dort dann drei Wochen lang täglich sieben Kilometer durch das Dünenreservat bis hin zum Strand zu laufen, dort dann Margarinebrote dieser niederländisch pappigen Toast-Unart zu verzehren. Die in der Plastikdose nach der benachbarten Wurst stanken - ich esse keine Wurst, kann den Duft nicht ab...

Ich entschied mich, am Zelt zu bleiben und zu lesen. Mit dem Ergebnis, dass ich noch heute einige Annoncen auswendig kann. „BMW R 69 S, sehr guter Zustand, 900 DM.“ Unerreichbar, aber die auf dem Titelfoto stets präsente Yamaha wäre schon toll… , dachte der Vierzehnjährige.

Mein erstes motorisiertes Zweirad war ein gebrauchtes, etwas abgerittenes Mobylette-Mofa, ohne Hinterrad-Federung, normal. Auch ohne Vorderrad-Federung, schon seltener. 150 DM. Die Fliehkkraftkupplung ist zweiteilig, innen mit Federn eine Art Satz Bremsklötze, außen auf der Kupplungsglocke jedoch aufgenietete Blechstreifen mit Bremsbackenmaterial, wo die Nieten lose waren und die Kupplung immer schleifen machten - und den Motor ausgehen.

Papa half mir, das zu fitten. Seine einzige Tat, mir überhaupt mal an irgendeinem der Kraftfahrzeuge persönlich anzupacken – und er war Technikus, ein begnadeter. Aber er hatte gesehen, dass ich alleine klarkam, die Achseln gezuckt, und hatte mir bei Befragen, warum er sich nicht für diese Dinge interessierte, aus seiner Warte mal das Schrauben an Fahrzeugen als unter seiner Würde deklariert. Denn er reparierte als Elektroniker die Steuerungen riesiger, Millionen teurer Tiefdruckmaschinen. (Die richtig alten Jungs hier – ab Mitte 70 und in ihren 80ern -konnten damals die ersten deutschen PLAYBOY nur deswegen lesen, weil mein Papa eine Erfindung zum ganz genauen Passer-Steuern gemacht hatte, die die Qualität der Druckerzeugnisse seines Arbeitgebers damals in Europa einzigartig machte. Die reine – retuschierte - Haut der nackeligen Damen…)

Nächstes Moped war eines, das ich auch schon - wie den Käfer – schwarz gefahren hatte: Papas NSU Quickly. Die vom Jahr 1964 verbliebenen hellblauen Zahlen und Buchstaben des Versicherungskennzeichens hatte ich aktualiter schwarz überlackiert, damit es nicht sofort auffiel… Und ab durchs Winkhauser Tal, immer nur so 20, 25 Minuten, dass man den Lenker auch noch rechtzeitig wieder beiseite schrauben konnte, bevor die Ellies aus der Kirche heimkamen...

Nun war ich 16, hatte FS 4 & 5 gemacht, aber keine Talers auf der Tasche. Also musste Papas Quickly von 1964 ran, die er neu gekauft und dann nur sechs-, siebenmal im Sommer 1964 zur Arbeit gefahren war. Sie dann in der Garage abgestellt hatte – Tachstand 00137.

Sie steht nicht mehr dort – sie steht nun in meiner Garage. Ja, ich bin immer noch im Besitz meines allerersten Mopeds. Das nun 54 Jahre alt ist.

Quickly fahren aber war doof – ich kaufte zwar noch in de Preisregion „zwei Kästen Bier“ zwei weitere Quicklys von Klassenkameraden, aber mit den Mädels ist es schlecht, denn Quickly hat normalo Einzelsitz.

Also in den Ferien gearbeitet, und vom Erlös eine Hercules MK 4 M gekauft. Mokick, auch für kleines Versicherungskennzeichen. Die 45 DM saßen drin, nicht aber die 245 DM Versicherung für ein Kleinkraftrad. Dann klappte das auch mit den Mädels. Auf der Hercules gelang es mir, eine Freundin zu plazieren. Sie ist es heute noch, nach 44 Jahren. (Die Hercules ist schon lange weg.)

Nächstes war der Führerschein Klasse eins und drei. Neben dem Sparkäfer, den ich Papa abkaufen musste (500 DM), um an die Uni zu kommen, kaufte ich bei der Versteigerung landeseigener Fahrzeuge in Düsseldorf eine Zündapp KS 100, die förstersgrün war, von einem Förster aus dem Forst hinter Jülich oder wo.

Mein erstes Motorrad.

Die Jungs aus dem Jugendheim waren teils schon ein bisschen älter. Von Peter hatte ich seine Suzuki GT 250 gefahren, schwarz natürlich. Und vom Rolf seine Bundeswehr-Maico MB 250. Die Suzuki entsprach den frühjugendlichen Idealvorstellungen, die ich im Herzen bewahrt hatte, seit ich die erst Berichte zur Yamaha DS 7 las, dann die RD 250.

Aber die Talers…

Ich arbeitete eifrig, und konnte mich dann an der Gemeinschaftsaktion beteiligen, bei der Frankfurter VEBEG ein Gebot abzugeben für fünf BMW-Einzylinder, die bei der Kaserne in Essen-Kupferdreh (am Fuße einer der Traumstraßen des Ruhrgebiets, Hammer Straße) aus dem Fahrschulbetrieb entlassen worden waren. 4x R26, eine R27. Peter, der Organisator, schnappte sich eine der R26, und die R27. Gerd, Rolf und ich je eine weitere. Die R27, welche sich als schlechteste des gesamten Batches entpuppte, aber er hatte dann drei PS mehr. Als wir die Maschinen besichtiget hatten, sahen die ganz proper aus. Als wir sie knapp drei Monate später dann abholten, fehlte so einiges daran... keine Batterien mehr, und ein Vergaser war weg.

Böse Fouls... in überwachtem Areal...

Irgendwann hörte ich von einer vernachlässigten weiteren R26, die bei einem Schulfreund ohne Lichtmaschine stand, und mit Rahmenbruch. Für kleinen Taler wanderte sie auf meinen Bastelhof. Studium, dann die ersten Berufsdinge ließen mich das Motorradfahren zunächst bleiben lassen. Irgendwann mal ein Intermezzo mit einem Feuerzeug, Yahama RD 125. Das hat mächtig Spass gemacht - bis eines Tages der eine Kolben durchgeschmolzen war.

Dann hatte ich die Chance, Peters Fahrschulmaschine zu kaufen, eine Honda CB 250 K4. Sie hatte jahrelang immer auf der Ecke Frintroper Straße im Schaufenster gestanden, stete Mahnung an die schönen Dinge im Leben, wenn ich jeweils meine Eltern besuchte. Sehr nett schon, mit 30 PS. Übrigens, jetzt, so beim Nachdenken, das einzige Motorrad, mit dem ich auch auf Reise war – ich fuhr mal mit der Honda meiner Madame um die Nase, als sie mit dem ollen 240er Dieselbenz unseren kleinen Wohnwagen nach Nordfrankreich bei Calais zog. Der sommer war so brutal heiß, dass das Motorradfahren ihr keinerlei Freude machte.

Ansonsten war ich nur mal mit der Hercules beim Elefantentreffen… Winter, Hocheifel. Grausam, bei minus 23 Grad zu zelten. Der Gestank der Altöl-Lagerfeuer war nicht mehr aus dem Zelt zu bekommen - wir mussten es dann wegwerfen.

Der 250er Honda folgten zwei Yamaha XS 750, die dann einen ersten „richtigen“ Eindruck gaben, was von starken Motorrädern mit Kardanantrieb zu halten ist. Bis vor wenigen Jahren die besten Motorräder, die ich je hatte.

Mein Beruf führte mich nach Braunschweig, weit weg aus dem Ruhrgebiet. Die riesige Sammlung an Mercedes-Diesel-Teilen und die beiden Yamahas mussten weichen, da mein lieber Schwager den Schuppen, in dem das Zeugs hockte, plattmachen und zum Parkplatz umbauen wollte. Schon damals hätte mich das hohe Interesse an den Yamahas wecken können... Ich gab sie wohl weitaus zu billig ab. Wenn man heute mal guckt...

Einen Job weiter, wieder in NRW, ergab die Karriereplanung, dass mein Chef der unbedingten Meinung war, ich könne nicht im Anlagenbau sein, ohne mal eine Baustelle kennengelernt zu haben. Dieser Ansage folgten folgenreiche Monate in Malaysia, wo ich neben einem Suzuki-Jeep, geteilt mit einem Kollegen, auch solo eines der örtlich typischen Suzuki-Mopeds, eine 125er mit Beinschild, bewegte.

Und mit unglaublich viel Spass. Als Erstes lernte ich, in tropischer Sonne beim Mopedabstellen immer den Schatten zu suchen...

Bis ich eines Tages auf einem Dschungelpfad – ZUCK!!!!, da stand er vor mir – einem Waran begegnete: Biester, die unglaublich schnell, und bei Hunger unglaublich aggressiv sein können. Deren Biss und Speichel äußerst üble, infizierte Wunden macht, die fast endlos zum Abheilen brauchen – und ZUCK!!! - , da war er auch wieder verschwunden, mit Bewegungen, so schnell, dass das Auge das fast nicht mitbekam.

Egal. Als ich heimkam, stand der Entschluss fest: ich muss un-be-dingt wieder ein Motorrad haben.

Beim Hin und Her, beim Sinnieren, kam mir die Honda CB750 Four F2 in den Sinn, die ich mal einem meiner besten Freunde vermittelt hatte. Thomas, der beim Kauf skeptisch gewesen war angesichts des damaligen Alters des Motorrades (10), hatte von mir – spontan, unüberlegt – eine Ansage bekommen: „Wann immer du die Honda wieder loswerden willst, gebe ich dir sofort wieder das gleiche Geld dafür.“ Da konnte er ja nichts mehr falsch machen, hm? 1700 DM zahlte er.

Wozu ich dann den Eindruck gewann, dass die Honda zwei drei Jahre mit Spaß bewegt worden war, weiter angemeldet war, aber dann ungenutzt blieb.

So machten wir es dann, meiner Ansage gemäß, acht Jahre später. 1700 DM, und die Honda ward meine.

Ich hielt es dann genauso – fuhr sie zwei drei Saisons mit Spass hier rund um die Dörfer an der Haarhöhe, teils auch Tagestouren von 300-400km, aber keine großen Reisen mit Übernachtungen. Dann wurde mir die dicke Dame doch bissl zu unhandlich. Außerdem wollte der TÜV rechtsherum paar Dinge erledigt haben, ich wusste linksherum noch paar Dinge mehr...

Die - so stellte es sich dann heraus - Abschiedsfahrt war mir bis unvergesslich. Ich war nach über zwei Stunden in den "Flow" geraten, diesen unglaublich beglückenden Zustand, mit dem Motorrad, mit der Straße, mit der Landschaft, mit dem Leben Eins zu werden. Wenn alles, alles passt und nur noch Sahne ist. Sehr selten bei einem Kopfmenschen...

Bis ich in einer Kurve bei Werl-Büderich auf Baustellendreck ausrutschte und dabei beinahe das Dickerchen wegschmiss. Auf dem allerletzten Zentimeter vor dem Rasen konnte ich sie fangen - Herzklabaster pur. Fast eine halbe Stunde brauchte ich, bis ich mich auf die Heimfahrt traute. Das war's dann..., im Ergebnis. Zuviel Arbeit für den TÜV etc.. Sanierung nicht lohnend.

Ich hatte nicht mehr wirklich die Lust auf all die Arbeit, obschon ich auch im Four-Club bin. Die F2 ist so uninteressant, mit ihren ComStar-Rädern will sowas niemand. Ich meldete sie ab. Hieß sie auf die Garage aufpassen, und auf die Quickly-Kinderlein.

Dann erweckte mich eine Ansage eines Hobbyfreundes der Musik, dass 2016 ein sehr gutes Jahr werde. Ich kam aus einem tiefen Tal gesundheitlicher Probleme, deren unklare Ursachen am Jahreswechsel 2015/16 dann immer klarer wurden, und kündigte meiner Dame an, dass ich nun doch - nach Jahren der Enthaltsamkeit – wohl wieder Motorrad fahren wolle.

Das gab Mädchen-Theater... Obschon sie selber Klasse 1 hat. Aber damals nur kurz die kleene Yamaha RD 125 bewegt hatte.

Ein Facebook-Bekannter wies mich auf ein Angebot in der Nähe von Paderborn hin – und so wurde die wundervolle weiße R 100 RS dann meine. Mit ihr bin ich gelegentlich auf den Dörfern der Haarhöhe bei Soest, Werl und Unna unterwegs, und an den Hängen des Ruhr- und Wupper-Tales. Nicht wirklich oft, aber der Anblick allein ist schon doll.

Ich bekenne, obschon sonst dem Nutzen zugetan, dass allein das HABEN schon ein Grinsen in die vier Backen treibt. Auch hier bis dato keine Reisen mit Nächtigung - aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Gued gaohn, so grüßen sich die Westfalen,
und „kommt gut aufs Gehöft.“
Bernd B

DBX: MOTORRADGESCHICHTE