Theorie und Praxis: Datenblätter und was man aus ihnen lesen kann
Tja,
nichts ist schwieriger, als ein Datenblatt zu interpretieren, das nicht aus dem unmittelbaren eigenen Berufsumfeld kommt.
Das Missverständnis liegt hier wohl darin, was unter einer Spezifikation zu verstehen ist.
Im [elektro]technischen Bereich versteht man darunter eine Beschreibung von [umwelt] Bedingungen, innerhalb derer das Produkt die beschriebenen eigenschaften sicher erfüllt.
Heisst im Normaldeutsch: Man

darf die Kung Long maximal 5 Sekunden mit 270 A belasten, ohne dass sie kaputt geht.
Diese Sicherheitsschwelle hat Fiamm ebenfalls mit 270A definiert.
Theoretisch wären nach dem Ohmschen Gesetz bei einem technisch realisierbaren Heizwiderstand von 1mOhm ja bis zu 1250 A möglich [wenn die Batterie nicht vorher kaputt gehen würde, daher die Spezifikation mit max 270A]
Über die tatsächliche Startleistung sagt das erst einmal wenig aus, auch wenn die bei der Hawker PC680 erlaubten 520A schon beieindrucken.
In der Praxis hängt der maximal mögliche Anlasstrom von den Eigenschaften des Produktes (Innenwiderstand in Abhängigkeit vom Ladezustand), externer Beschaltung (Übergangswiderstände, Kabelwiderstände, Anlasserwiderstand in Abhängigkeit von der Belastung ) und den Umweltverhältnissen (hauptsächlich Temperatur) ab.
In der Praxis ist daher auch der einzige in den Datenblättern für die Startleistung brauchbare Wert der Innenwiderstand, der aber auch nur für die gegebene Zimmertemperatur gilt.
Und der liegt bei der Fiamm mit rund 7,5 mOhm doch deutlich unter dem der Kung Long WP18-12 mit 10mOhm!
Daher würde ich auch -wenn's denn eine KL sein muss eher die WP22-12N einsetzen. Die kommt mit spezifizierten 8mOhm einer ordentlichen Hochstrom-Batterie schon deutlich näher. Erreicht wird der bessere Wert aber nur indirekt über eine höhere Kapazität. Konstruktiv heisst das:etwas mehr Blei, deutlich feinere (empfindlichere!) Strukturen mit einer größeren elektrochemisch wirksamen Oberfläche.
Zum Vergleich:Eine echte Hochstrom-Starterbatterie wie die Hawker (hier PC680) können da Werte von bis zu 7mOhm (kleiner ist besser!) erreichen!
Dazu kommt, dass nach meiner Messerfahrung Spezifikationen von chinesischen Herstellern wesentlich "breiter" ausgelegt sind als die von amerikanischen oder europäischen Herstellern.
"Mindestwerte vs. Bestwerte" aber das ist ein anderes Thema.
Wirklich aussagekräftig wäre hier nur der Kälteprüfstrom, da der auf einem realen Messwert beruht. Da aber die Batterien hier allesamt (einschließlich Fiamm) USV Batterien sind, ist der Wert leider nicht verfügbar (bei der Hawker wären es rund 170A - ein eher durchschnittlicher Wert bei einer Kapazität von 16AH)
Trotzdem: wer sich's leisten kann (und will) ist tatsächlich mit der Hawker am besten bedient.
Für die anderen gilt es, den für seine persönliche Situation besten Kompromiss zu finden.
Für mich ist bei unseren alten Qs aus den frühen 80ern das wichtigste, nicht ständig die Hinterradschwinge aushängen zu müssen, um die Batterie extern laden oder auswechseln zu können. Also muss sie zuverlässig und ohne Nachladen über den Winter kommen und eine geringe Selbstentladung und hohe Startleistung (niedrigen innenwiderstand) haben. Das ist mir den 20er extra für die etwas robustere und qualitativ hochwertigere europäische Batterie wert. Wenn ich Strom in der Garage hätte oder die Batterie einfach in fünf Minuten austauschen könnte wie bei den neueren Modellen würd's wahrscheinlich anders aussehen...
Nix für ungut!
Edit 17:55: Hawker PC680-Werte zum Vergleich ergänzt, Titel geändert