Guten Morgen,
ehe sich nun jemand total in die Problematik verbeißt, sich völlig im wuchernden Gestrüpp ständig neuer Parameter verliert und schließlich verzweifelt zum Strick greift, als Mahnung eine schlechte und eine gute Nachricht

:
1. Die schlechte: Es ist alles noch komplizierter und ohne immensen Arbeitsaufwand mit zahllosen Prüfstandsläufen nur teilweise in den Griff zu bekommen.
2. Die gute: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. "Dellen" im Drehmomentverlauf werden allgemein überschätzt.
Zu 1.
Gerd hat den "Helmholtz-Resonator" ins Spiel gebracht, sehr zu Recht, denn wir haben es hier mit akustischen Phänomenen zu tun. Wie schon gesagt, ist der Motor eine von Schwingungen abhängige Strömungsmaschine, welche die Zylinderfüllung und damit die Leistung beeinflussen.
"Resonanz" verstärkt die Effekte; berühmtes Beispiel ist die eingestürzte Brücke, weil eine Marschkolonne im Gleichschritt die Eigenfrequenz des Bauwerks getroffen hat (Resonanz-Katastrophe). In Gerds Helmholtz-Link wird die Baßreflex-Box erwähnt. Durch ein zusätzliches Loch im Kasten wird dort entscheidend die Schallwiedergabe beeinflußt bzw. verstärkt. Weiteres Beispiel Hörgerät: Der Gehörgang wird vom Ohrpaßstück dicht verschlossen (sonst gäbe es Rückkopplungs-Effekte). In diesen Raum leitet das Hörgerät die verstärkten Außengeräusche. Durch eine richtig bemessene, winzige Zusatzbohrung im Paßstück verändert sich der Frequenzgang.
Zurück zu Motoren: An Zweitaktern wird zuweilen die von Yamaha eingeführte Boost bottle verwendet. Vom Ansaugstutzen zwischen Vergaser und Zylinder führt ein Schlauch in einen Resonanzbehälter. Zweck ist es, die hin- und herschwingende Gassäule am mehrmaligen Durchgang durch den Vergaser und so vor Überfettung zu bewahren. Außerdem wird durch die im Behälter "geparkte" Gasmenge beim nächsten Einlaßtakt eine gewisse Aufladung erzielt. Das geht aber nur in einem engen Frequenzbereich, eben dem der Resonanz. Schlauchlänge und -Innendurchmesser legen denselben fest. Außerdem muß die Behältergröße zum Hubraum des Zylinders passen. Alles per Formel genau berechenbar.
Nun kommen wir endlich zum Viertakter. Hier wird es noch haariger. Es ging in der Ausgangsfrage ja primär um den Ansaugtrakt, also den Bereich v o r dem Vergaser. Die oben beschriebene Boost bottle arbeitet ja mit bereits fertigem Gemisch. Hingegen verändere ich durch Maßnahmen vor dem Gaser ausschließlich die zugeführte Luftmenge. Ein verdreckter Luftfilter mit der Folge geringerer Luftzufuhr würde etwa gleichmäßig über den ganzen Drehbereich das Gemisch (relativ) überfetten. Ändere ich dagegen Resonanzeffekte durch andere Durchmesser, Längen usw., ist das auf bestimmte Drehbereiche begrenzt, und die Vergaser-Einstellung paßt punktuell nicht mehr. Zur Korrektur muß ich erst einmal wissen, welche Drehzahlen durch meine Bastelei betroffen sind und ob am Vergaser überhaupt eine sinnvolle Umstellung machbar ist, ohne andere Bereiche zu verschlechtern.
Zu 2.
Nach der Theorie

die Praxis: Versuch macht kluch! Mit Kenntnis der Zusammenhänge und systematischem Vorgehen sind auch im Hobbybereich mit Straßen-"Prüfstand" durchaus ansehnliche Ergebnisse drin. Hüten muß man sich aber vor Subjektivität, wie Stephan schon treffend bemerkte (Psychologie, s. dort), Verwechseln von Lautstärke mit Leistung, oder: "Bei soviel Arbeit muß das doch was gebracht haben" usw.
Die Drehmoment-"Delle": Schöne Diagramme kann man sich an der Wand aufhängen, zuweilen m.E. auch ans Knie nageln. Solange die Delle kein wirkliches Loch bzw. tiefes Tal ist, was soll's? Wie eindrucksvoll es auf dem Papier aussieht, hängt nicht zuletzt vom gewählten Maßstab und Ausschnitt ab. Beliebte Methode bei "wissenschaftlichen" Arbeiten: Bei fragwürdigem Ergebnis solange mit dem Maßstab herummachen, bis jeder sehen kann, daß in der Kurve doch wirklich eine "signifikante" Auslenkung ist. Und wenn das Drehmoment, absolut gesehen, dort immer noch ansehnlich hoch ist, wen juckt die Delle? Auf die Leistung bezogen, relativiert sich das noch weiter. Bekanntlich ist Leistung das Produkt aus Drehmoment und Drehzahl. Wenn die Drehmoment-Kurve nach ihrem Maximum abfällt, steigt die Leistung mit der Drehzahl noch lange weiter. Im Bereich einer Delle sinkt also keineswegs auch parallel dazu die Leistung.
Grüßle, Fritz.
