Ich habe auch schon von BMW welche mit mikroverkapselter Schraubensicherung bekommen. Keine Ahnung, ob das eine gewollte "after Sales" Maßnahme ist, die den früheren Sicherungsring ersetzen sollte, oder ob BMW beim Schraubenhändler günstig passende mit Schraubensicherung erwerben konnte. Vielleicht gab es Vorkommnisse mit gelösten Schrauben die "nach Gefühl und Erfahrung" angezogen waren?
Im Form gab es mehrere Berichte von Leuten, die nicht ausreichend gutes Gefühl hatten, was dazu führte, dass diese Schrauben sich lösten. Ich halte diese Stelle für sicherheitsrelevant.
Und, jetzt mache ich mich vermutlich unbeliebt: Wenn das jemand für sich selbst macht und solche Schrauben "nach Gefühl" anzieht und damit primär sich gefährdet, ok. Aber wenn jemand gewerblich an anderer Leute Motorräder schraubt, muss er sich an die herstellerseitigen Montagevorschriften halten. Alles andere ist meiner Meinung nach Pfusch.
In den Markenwerkstätten großer Fahrzeughersteller hat sich diesbezüglich gegenüber früher viel geändert. Die Mitarbeiter dort werden mit Schulung, QS und Kontrolle darauf getrimmt, nach Herstellervorgabe zu schrauben und nicht nach eigenem Gutdünken. Ich finde das ausgesprochen gut und könnte jetzt etliche Beispiele aus eigener Erfahrung berichten, in denen so ein "hab ich Gefühl" Schrauber gepfuscht hat. Dafür fehlt mir jegliches Verständnis. Für das Gejammer über solche Feststellungen schon zweimal.
Grüße
Marcus
Hallo, Marcus,
da stimme ich dir zu. Gerade am Beispiel kritischer Verschraubungen kann man sehen, wie ein technisches Thema ideologisch hochgejazzt werden kann. Das liegt vermutlich an einem Mangel an Fakten. Deshalb mal eine kurze Betrachtung dreier dynamisch beanspruchter Verschraubungen an den Zweiventilern, die es in ähnlicher Form auch an anderen Fahrzeugen gibt:
1. Schwungradverschraubung
2. Kardanwellenverschraubung
3. Radverschraubung der Einarmschwingenmodelle
Weitere Messergebnisse zu diesem Thema hat Stefan Hammer neulich eingestellt, das lohnt sich unbedingt zu lesen:
https://www.maschinenmarkt.ch/geschmierte-schraube-haelt-besser-a-850211/
Rechnen wir mal den maximalen Lastfall für einen Zweiventiler überschlägig durch - die Volllastbeschleunigung eines 1000er Motors im 1. Gang. Dabei liegt am Schwungrad ein gemitteltes Drehmoment von etwa 80Nm an. Tatsächlich gibt der Motor dieses Moment aber nicht gleichmäßig, sondern stark pulsierend ab, so dass an der Schwungradverschraubung kurzfristig noch deutlich höhere Drehmomentwerte wirken. An der Kardanwellenverschraubung wirken dann gemittelt etwa 350Nm und an der Radverschraubung sogar bis zu 1100Nm. 1100Nm-das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Übrigens sind auch die Radverschraubungen der Vierventilboxer und die vieler Autos wegen der hohen Motordrehmomente und Fahrzeuggewichte kritisch und verlangen genaue Einhaltung der Anzugsvorschriften.
Eine dynamisch beanspruchte Verschraubung muss so viel Vorspannkraft in der Fügefläche erzeugen, dass das Drehmoment allein über die Reibung in der Fügefläche übertragen wird. Bei zu geringer Vorspannkraft der Schrauben, unzureichendem Reibwert in der Fügefläche oder Setzerscheinungen in der Verschraubung kommt es zu Mikrobewegungen zwischen den verschraubten Teilen. Wenn diese Relativbewegungen zu stark werden, kommt es zum Lösen der Verschraubung und in der Regel zum Abreißen der Schrauben mit teilweise schwersten Folgeschäden. Das kann keine Schraubensicherung auf Dauer verhindern. Deshalb muss dieses Thema unbedingt ernst genommen werden. Entsprechend werden solche Verschraubungen beim Fahrzeughersteller intensiv getestet – sowohl auf Hydropulsprüfständen, mit Abdrehversuchen oder auch im Fahrbetrieb. So hatten wir bei Opel zwei Vollzeitingenieure im Werkstofflabor, die sich mit allen hoch beanspruchten Verbindungen beschäftigt haben und davon gibt es eine Menge.
Die Fügefläche muss sauber und ihr Reibwert sollte möglichst hoch sein. Bei trockener Umgebung wie Schwungrad und Hinterrad entfette ich deshalb die Fügefläche mit Spiritus. Das macht an der Kardanwelle natürlich nur bei den Paralevermodellen Sinn.
Die Schraubengewinde müssen sauber und leichtgängig sein, die Schrauben die richtige Länge haben und dürfen nicht im Gewindegrund aufsitzen. Wenn vom Hersteller nicht anders vorgeschrieben, öle ich sie leicht mit Motoröl (kein Fett, kein MOS2) ein – so werden Schrauben üblicherweise schon aus Korrosionsschutzgründen ans Band geliefert. Verrostete Schrauben gehen gar nicht: Das aufgebrachte Anzugsmoment würde zum größten Teil in der Gewinde- und Kopfreibung verschwinden, die Vorspannung in der Fügefläche wäre viel zu gering. Wenn die Schrauben werksseitig mit Loctite beschichtet sind, soll das eine möglichst genau definierte Gewindereibung beim Anziehen und damit ausreichende Vorspannnung in der Fügefläche sicherstellen. Eine Sicherung gegen Lockern ist Loctite nicht und wo nicht vom Hersteller vorgeschrieben, läßt man es weg.
Große Unbekannte bei diesen Verschaubungen sind die im Feld stark streuenden Reibwerte in der Fügefläche, dem Schraubenkopf und dem Gewinde, die auch unter ungünstigen Bedingungen eine sichere Verschraubung ergebne sollen. Man versucht sie durch möglichst genaue Angabe der Oberflächenbeschaffenheit und des Schmierungszustands weitestgehend einzugrenzen. Wenn der Hersteller hier besondere Anweisungen gibt, basieren die auf detaillierten Versuchen und sollten genau eingehalten werden. Ein genauer Drehmomentschlüssel, von einem Fachmann ruckfrei bedient, ist eine weitere Voraussetzung für eine sichere Verbindung.
Die Nachrechnung ergibt, dass bei den Zweiventilern die Radverschraubungen der Mono-/Paralevermodelle kritisch sind, ganz besonders die R80G/S und R80ST. Das gilt natürlich besonders, wenn diese auf 1000ccm hochgerüstet wurden. Praxiserfahrungen zeigen, dass hier durchaus gelöste Radschrauben vorkommen können. Deshalb ist an dieser Stelle besondere Sorgfalt angebracht und nach 50km ein Kontrollanzug sicher nicht verkehrt. Aber bitte nicht zu fest anziehen: Zwar gehen die Radschrauben mit M12*1,25-Gewinde (in 10.9er Qualität) erst bei etwa 130Nm in die Streckgrenze, aber die Aluminiumnabe könnte bei zu festem Anzug verziehen oder gar reißen.
Soviel in aller Kürze zu den oft vernachlässigten dynamisch beanspruchten Schraubverbindungen. Da könnte man noch weitaus mehr sagen, ohne dass es langweilig wird.
Gruß
Helmut