Pleuel angleichen überhaupt sinnvoll?

Der Motor ist ein 600cc sv aus den frühen zwanziger Jahren. Nein, keine Ausgleichswellen.
Das ist auch nicht unbedingt nötig - wie geschrieben, hatte ich das gleiche Motorrad Bj 1932 und die lief mit signifikant (!) wneiger Vibs.

Ich versuche mich im Vorfeld mal schlau zu lesen, um dann, wenn ich den Motor auf der Werkbank habe, direkt beurteilen zu können, was faul ist an der Kiste.
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Bei Schwingungen sind zwei Größen von Belang:

1. Die Amplitude
hängt unmittelbar vom Wuchtfaktor ab.

2. Die Frequenz
ist abhängig von der Drehzahl.

Wenn man nun weiß, dass eine Konstruktion (kompletter Motor bzw. komplettes Motorrad) im Bereich der verfügbaren Drehzahlen eine Resonanz entwickelt, muss man die Amplitude so gering halten, dass Selbstzerstörung unterbunden wird.
So würde ich hier eine zusätzliche Abhängigkeit sehen.
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Ja, soweit ist das klar, Michael.
Was mir nicht klar ist: wie ändert man den Wuchtfaktor, um z.B. diese Resonanz des Kurbeltriebes in den bereich oberhalb von 4000/min zu schieben? Dann würde ich mit der ollen Kiste da gar nicht erst hinkommen....
 
Der Motor ist ein 600cc sv aus den frühen zwanziger Jahren. Nein, keine Ausgleichswellen.
Das ist auch nicht unbedingt nötig - wie geschrieben, hatte ich das gleiche Motorrad Bj 1932 und die lief mit signifikant (!) wneiger Vibs.
Hat der Motor eine gebaute Kurbelwelle? Falls ja, wäre das ein Ansatzpunkt.

Gruß,
Florian
 
Ja, die Kurbelwelle ist gebaut, nicht so schön einteilig wie beim 2V.

Wie gesagt, die erste Fahrt war am Samstag, ich habe den Motor noch nicht offen, und es kommen eine ganze Reihe von möglichen Ursachen in betracht:
- Kurbelwelle verdreht und nicht "true", wie der Engländer sagt (ich vermute darauf wolltest Du auch hinaus)
- Kolben wurde mal getauscht, hat ein signifikant anderes Gewicht und die Welle wurde nicht angepasst (ich bin nicht mal sicher, ob ein Graugusskolben original war, in meinem Ersatzmotor ist ein Slipperkolben verbaut der wäre 1924 eine technische Sensation gewesen...)
- Hauptlager ausgelaufen
- ...
 
Was mir nicht klar ist: wie ändert man den Wuchtfaktor, um z.B. diese Resonanz des Kurbeltriebes in den bereich oberhalb von 4000/min zu schieben? Dann würde ich mit der ollen Kiste da gar nicht erst hinkommen....
Seit langer Zeit habe ich in meiner Linksammlung/Motortechnik diesen frei zugänglichen Server eines Maschinenbau-Studenten.
Insbesondere das darin enthaltene Excel-Tabellenblatt Einzylinder_Kurbeltrieb_und_Massenausgleich.xls ist extrem aufschlußreich in Bezug auf Wuchtfaktoren beim Einzylinder und deren Auswirkungen auf das Schwingungsverhalten, zumal es an die jeweiligen Konstruktionsdaten angepaßt werden kann.

Ich könnte mir vorstellen, daß Dir das bei Deiner Fragestellung weiterhilft.

Gruß,
Florian

Disclaimer: Ich bin kein Ingenieur und kann – jenseits des grundsätzlichen Verstehens der Zusammenhänge – Gegengewichte an der Kurbelwelle weder berechnen noch Berechnungen anderer auf deren Richtigkeit prüfen.
 
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Disclaimer: Ich bin kein Ingenieur und kann – jenseits des grundsätzlichen Verstehens der Zusammenhänge – Gegengewichte an der Kurbelwelle weder berechnen noch Berechnungen anderer auf deren Richtigkeit prüfen.
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Mach Dir nix draus. Ich bin zwar Ingenieur (andere Fachrichtung) und kann es trotzdem nicht. Besser gesagt noch nicht.

Aber es gibt ja ein paar Anhaltspunkte, mit denen man arbeiten kann, und dann ist es gar nicht mehr so dramatisch. Viele kann man sehen und prüfen, wenn der Motor mal auf ist:
1. Ich gehe davon aus, daß der Motor mal ordentlich lief, so wie er sollte, und die Konstrukteure seinerzeit das wollten. Damit kann ich grundsätzliche Konstruktionsfehler, die man sich so vorstellen kann, ausschließen.
2. Ob einer da mal was an der Welle geändert hat, kann man erst sehen, wenn die Welle raus ist. Das sind 3h Arbeit, die ich bis hierhin noch nicht geleistet habe. Ich hoffe, daß da nichts gemacht wurde.
3. Alles, was dann als Ursache übrigbleibt, kann man dann reduzieren auf:
- Kolben mit gänzlich anderem Gewicht montiert. Das kann man rausfinden, wenn es sein muss, über den Club und einen Kollegen, der seinen Kolben mal misst. Mein Reservemotor hat einen Kolben verbaut, der einen Wuchtfaktor von (in der Hand geschätzt, noch nicht gemessen) nahe 100% ergibt, das kann nicht stimmen und das kann nicht gescheit laufen. Mal sehen, was in dem Motor steckt, der im Fahrgestell ist.
- gebaute Kurbelwelle in sich verdreht - das läßt sich messen, ohne viel zu rechnen
- Verschleiss an den Hauptlagern: wenn die Welle in den Lagern Spiel hat, dürften ebenfalls massive Virbationen und Geräusche entstehen.

Zu den Resonanzen und der Drehzahlabhängigkeit habe ich gestern Abend rausgefunden, dass es sich (auf den Motor reduziert) nur um Resonanzen handeln kann, die die Steifigkeit des Motors in horizontale und vertikale Richtung in Betracht zieht - dürfte bei dem Klopper und den rel. niedrigen Drehzahlen vernachlässigbar sein. Aber man kann die Steifigkeit des gesamten Fahrwerks noch einbeziehen, und die Vibrationen durch den Wuchtfaktor so beeinflussen, daß eine Resonanz in eine Richhtung (horizontal oder vertikal) unterstützt oder gehemmt werden kann. Das alles findet im Fahrversuch im Fahrzeug statt, wenn ich mir diese Versuche ersparen will, dann muss ich an einer Originalkonfiguration den Wuchtfaktor bestimmen und so die Erfahrungen der Großväter nutzen.

Ich werde mir das Excel mal anschauen. Danke für den Link. Nach allen gängigen Berechnungen wird sich ein Wuchtfaktor für stehende Einzylinder um 55 +/-4% einstellen.

Will keep you posted.
 
Nur um das Thema abzurunden: ich habe am Wochenende den Motor ausgebaut und zerlegt, und dabei einen Wuchtsfaktor von 74% ermittelt. In anderen Worten ist der eingebaute Kolben rund 220 Gramm schwerer, als ein (üblicher) Wuchtfaktor um 55% empfehlen würde.
Also brauche ich einen neuen Kolben, der viel schwerer ist oder ich muss meine Kurbelwelle erleichtern. Beide Optionen haben pros und cons. Mal sehen, ob und wie die Erleuchtung kommt.
 
Es hat sich in der Zwischenzeit was getan. Erstens habe ich mich mit vielen Leuten unterhalten, und jede Menge zum Thema Kurbelwelle dazugelernt, so daß ich mittlerweile das Gefühl bekommen habe, das Thema einigermassen verstanden zu haben.

Aus "gewöhnlich gut unterrichteter Quelle" wurd eberichtet, daß bei meinen Gefährt ein Wuchtfakktor von 60% eingestellt wurde. Nach der Theorie kam ich auf 58% - bei den vergleichsweise geringen Drehzahlen meiner Maschine (n=4000/min) würde ich vermuten, daß beide Werte, 58% und 60%, eine signifikante Verbesserung der Vibrationen bedeuten wird. Wie groß der Unterschied von 58 oder 60% sein wird, bleibt unbekannt; mein Gefühl sagt mir allerdings, daß bei der gegebenen Messgenauigkeit sowieso ein Kompromiss gemacht werden muss.

Ich habe mich dazu entschlossen, den Kolben (der ordentlich lief) zu behalten und die Kurbelwelle, die offensichtlich für einen Graugusskolben gewuchtet ist (ca 120gr schwerer), anzupassen.

Dann habe ich mir ein Excel Arbeitsblatt programmiert, was mir am Ende genau gesagt hat, wo man bohren muss, um den gewünschten Wuchtfaktor zu erhalten. Das hat ein paar Stunden gekostet, war aber den Aufwand wert!

Bei den 2 Methoden, die Welle auszubalancieren, ist die Methode 1 im Excel die Ergänzung von Gewichten gegenüber vom Hubzapfen zu 100% Wuchtung der translatorischen Massen. Mthode 2 ist den Kolben etc. abzubauen, und die Balance mit Zusatzgewichten zu finden, die unten am Pleuel hängen.

Dann war am Samstag der große Tag: Kurbelwelle auf's Bohrwerk!

Zunächst haben wir den Tisch so gut es ging ausgerichtet, daß er genau rechtwinklig zum Bohrer steht. Dann auf der Kurbelwelle angezeichnet und gekörnt, wo genau die Bohrungen sein sollten. Ziel war, insgesamt 4 Bohrungen, symmetrisch zu beiden Achsen, in die Ausgleichsgewichte der Welle zu setzen. Ziel der Bohrlochgröße war 10mm, jede Bohrung nimmt ca 25gr. Material weg, in Summe ging es um rund 100gr.

Als erstes haben wir mit 6mm gebohrt, jede Hubscheibe getrennt. Die Stunde der Wahrheit schlug, als wir den 6mm Bohrer dann von Hand in die Bohrungen eingesetzt haben, und versucht haben durchzustecken. Dass passte tatsächlich! Unsymmetrie hätte ein "Taumeln" der Welle um die Hochachse zur Folge gehabt, das wollten wir vermeiden und haben das auch hingekriegt. Zugegeben, ich hatte Hilfe von einem Freund, der mit Bohren seinen Lebensunterhalt bestreitet.

Im zweiten Durchgang haben wir die Bohrungen von 6 auf 10mm erweitert. Auch dann klappte die Durchsteckprobe wieder!

Danach kam die ganze Welle noch mal auf den Auswuchtbock, und wir sind direkt bei gemessenen 59% rausgekommen! Es gibt zwei Methoden, den Wert zu ermitteln, und beide Messungen lieferten Ergebnisse, die um nur 0,2% Wuchtfaktor abwichen!

Noch am Samstag habe ich den Motor zusammengebaut und ins Fahrgestell eingebaut. Ein paar Restarbeiten sind noch nötig, dann geht es auf Probefahrt!

Edit: Excel und Bilder nun angehangen. Fragen beantworte ich gern. Gern auch zeitnah - in 2 Jahren habe ich das alles wieder vergessen... Ist ja im 2V ein wenig off topic, löscht es halt, wenn es nicht von Interesse ist. Aber auch bei R25/26/27 gibt es bestimmt mal die Situation, z.B. geänderte Kolben einzubauen...
 

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Bei Schwingungen sind zwei Größen von Belang:

1. Die Amplitude
hängt unmittelbar vom Wuchtfaktor ab.

2. Die Frequenz
ist abhängig von der Drehzahl.

Wenn man nun weiß, dass eine Konstruktion (kompletter Motor bzw. komplettes Motorrad) im Bereich der verfügbaren Drehzahlen eine Resonanz entwickelt, muss man die Amplitude so gering halten, dass Selbstzerstörung unterbunden wird.
So würde ich hier eine zusätzliche Abhängigkeit sehen.

@ Michael: es ist tatsächlich etwas komplizierter, und das Excel des Studenten zeigt es auch: Die Amplitude der Schwingungen hängt ebenso von der Drehzahl ab, die Zeit, in der die Massen hin- und herbewegt werden müssen wird kleiner und dazu müssen die Kräfte größer sein, und damit wird nach actio=reactio auch die Krafteinleitung in den Rahmen (landläufig: schütteln) größer.

Danke für die anerkennenden Kommentare.. Bis hierhin beziehe ich es nur auf den Mut, meine 90 Jahre alte Kurbelwelle zu perforieren, und den relativen Sachverstand, den ich mir in den letzten Monaten aufgrund vieler Gespräche und Literatur angeeignet habe. Ob die Aktion erfolgreich war, hängt vom Fahrversuch ab. Der Motor hängt wieder im Rahmen, aber noch nciht alle Anbauteile sind dran. Ich hoffe, daß ich das in dieser Woche schaffe, und dann kommt der "Moment of Truth" wo sich herausstellen wird, ob der Effekt sich wirklich so wie beabsichtigt einstellt. Ich hatte eine 1932 Sunbeam Longstroke, die lief seidenweich über viele Kilometer, da muss die 1925er Longstroke, aus der die gezeigte Kurbelwelle stammt, hin!

Ich habe übrigens noch einen letzten Trumpf im Ärmel: auf der Veterama konnte ich einen zweiten Motor, passend zu meinem Modell nur ein Jahr älter, finden. Sollte "gemacht" sein, da war auch was dran gemacht, die Kurbelwelle ist jedoch in viele Richtungen krumm und hat einen sichtbaren (!) Schlag. Das wird ein Projekt für die Zukunft, da mal nach und nach die Komponenten zu machen und dann aus dem Ding einen guten, zweiten Motor zu machen.
 
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